07. April 2016 Enrico Stange

Ulbig schönt Statistik durch mehr offene Vorgänge und bemäntelt sinkende Aufklärungsquoten in kritischen Bereichen

Zu den heutigen Verlautbarungen und Statistiken von Sachsens Innenminister Ulbig zur Kriminalität erklärt Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE:

Der Versuch von Innenminister Ulbig, mit der alljährlichen Veröffentlichung der Kriminalitätsentwicklung in Sachsen nach vielen Monaten der Defensive endlich Positives zu präsentieren, führt zu einer fragwürdigen Gesamtschau. Zwar ist von 2014 auf 2015 die Gesamtzahl der registrierten Straftaten in Sachsen von 327.196 Fällen auf 314.861 Fälle und damit um knapp 3,8% gesunken, jedoch ist im selben Zeitraum die Anzahl der offenen Vorgänge deutlich gewachsen. Wurden im Dezember 2014 noch 57.663 Fälle bei der Polizei als nicht abgeschlossen gezählt, waren es ein Jahr später schon 74.251, ein Anstieg von 28,8%. Im Jahresdurchschnitt lagen die offenen Vorgänge 2015 über 80.000. Damit liegt der Schluss nahe: Das Absinken der Gesamtzahl der Fälle der Kriminalitätsstatistik ist durch den Anstieg der offenen Vorgänge als rein statistischer Effekt zustande gekommen.

Auch der Rückgang der Kontrolldelikte, sie machen ca. 10 Prozent der Fälle in der Kriminalstatistik aus, sind nicht Ausdruck des Rückgangs von Delikten an sich, sondern gehen auf das deutliche Sinken der Kontrolltätigkeit der Polizei aufgrund von Personalmangel zurück. 2015 sind beispielsweise die Verkehrskontrollstunden der Polizei im Jahresvergleich um 15,5% zurückgegangen (Drucksache 6/3876 und 6/2058). Bestes Beispiel für diesen Effekt ist der Rückgang des typischen Kontrolldeliktes Rauschgiftkriminalität, das häufig während dieser Kontrollen festgestellt wird.

Besonders deutlich wird die geringere Belastbarkeit der Polizeilichen Kriminalstatistik anhand der leicht gestiegenen Gesamt-Aufklärungsquote von 54,8 % (2014) auf 55,7 % (2015). Diebstahlkriminalität ist leicht abgesunken, Wohnungseinbruchskriminalität hingegen angestiegen. Dennoch sind in beiden Bereichen die Aufklärungsquoten weiter rückläufig. Die Gesamtsteigerung der Aufklärung ist auf bessere Aufklärung bei Autodiebstahl und bei gigantischer Aufklärungsquote von 98,8 % (PKS 2014) bei ausländerrechtlichen Verstößen durch deren absoluten Zuwachs von über 7.000 Fällen zurückzuführen. Diese Verstöße umfassen u. a. Residenzpflichtverletzungen, Passablauf, Ablauf Aufenthaltstitel, was für die Sicherheit keine Auswirkungen hat.

Im Bereich der Diebstahlkriminalität ist zudem mit einem wachsenden Dunkelfeld zu rechnen, da die geringen Aufklärungsquoten der letzten Jahre auch die Anzeigeneigung zurück gehen lassen. Bei Wohnungseinbrüchen hingegen werden aus Eigeninteressen der Geschädigten fast alle Fälle angezeigt. Hier ist die absinkende Aufklärungsquote besonders erschreckend.

Im Ergebnis muss die Kontrolltätigkeit der Polizei wieder auf das erforderliche Niveau gehoben werden, um Straftaten aufzudecken und ahnden zu können. Wir brauchen also einen schnelleren Personalaufwuchs, als es sich Regierung und Koalition vorstellen.

Im Bereich Sicherheit der Wohnungen muss der Freistaat mehr in die Einbruchprävention investieren. Hier muss das Fördervolumen von knapp 8.000 Euro mindestens auf das Doppelte je Wohnung angehoben werden, um effektive Einbruchprävention möglich zu machen.

In Bezug auf die Kriminalitätsentwicklung im Zusammenhang mit Zuwanderung ist klar, dass wenige Hundert Asylbewerber, die als Mehrfach-/Intensivtäter gezählt werden, nicht dazu missbraucht werden dürfen, die zu uns geflüchteten Menschen zu diskreditieren. Die anderen mehr als 82.000 Menschen, die gekommen sind, sind mit Integration, Sprache und täglichen Sorgen beschäftigt und brauchen weiterhin unsere Unterstützung. So sollte vor allem durch Information und Unterstützung die Gefahr des „Schwarzfahrens" reduziert werden.

Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK) ist besonders auffällig, dass 2015 mit 380 Körperverletzungen, und zwei Tötungsdelikten vor allem Leib und Leben von Menschen gefährdet wurden. Dass 186 Körperverletzungen und die zwei Tötungsdelikte der PMK rechts zuzuordnen waren und damit die gefährliche Spirale in der zielgerichteten Gewalt gegen Ausländer und politisch Andersdenkende weiter gedreht wird, darf nicht dadurch relativiert werden, dass sie allgemein als Gewaltstraftaten mit Sachbeschädigungen gemeinsam statistisch erfasst werden.

Bei der Verfolgung politisch motivierter Kriminalität, vor allem der Gewaltstraftaten gegen Leib und Leben, müssen das Operative Abwehrzentrum sowie die Staatsschutzabteilungen personell besser ausgestattet werden.  

Kategorien: Pressemitteilungen

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