07. May 2012 Redaktion

Schiedskommission: Mitgliederentscheid hätte durchgeführt werden müssen

Quelle: Redaktion

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Die Bundesschiedskommission der Partei DIE LINKE  hat am 6. Mai 2012 über einen Antrag des Mitglied des Kreisvorstandes und Pressesprecher René Jalaß verhandelt. Er hatte sich an die Kommission gewandt, weil der geschäftsführende Parteivorstand (gfPV) einen Antrag zur empfehlenden Befragung der Basis für die Besetzung des Parteivorsitzes ablehnte. Warum René vor die Schiedskommission zog, was da passiert ist und vor allem, was das nun für die Zukunft heißt, fragte Thomas Dudzak.

René, du hattest dich gegen die Entscheidung des geschäftsführenden Parteivorstandes, einen Antrag auf eine empfehlende Mitgliederbefragung zum neuen Parteivorstand abzulehnen, an die Bundesschiedskommission gewandt. Empfindest Du die Entscheidung der BSK nun als einen Sieg gegen den geschäftsführenden Parteivorstand?

Nein. Das ist weder als "Sieg" zu bezeichnen, noch richtet sich die Entscheidung "gegen" irgendwen. Ich hatte lediglich eine eindeutig andere Auffassung zum Umgang mit dem Antrag auf eine Mitgliederbefragung zum Parteivorsitz, als der geschäftsführende Parteivorstand. Dafür gibt es die Bundesschiedskommission. Beschließt z.B. ein Gremium etwas, was eine andere Person oder eine Gliederung, wie ein Kreis- oder Landesverband nicht richtig findet, dann können wir die Schiedskommission dazu anrufen und die Angelegenheit verhandeln lassen. Das ist also kein Wettkampf, sondern in unserer Satzung so vorgesehen und eine stinknormale Sache. Die Schiedskommission ist dafür da, einen Dissens zu klären. Das ist keine Sensation.

Was genau war denn Euer Dissens?

Ganz grob erklärt, geht es darum, dass einige Landes-, Kreis-, Ortsverbände der Meinung waren, dass die Besetzung des Parteivorsitzes alle Mitglieder der Partei etwas angeht. Dazu muss man wissen, dass eigentlich der Bundesparteitag den Vorstand wählt, also auch die beiden Vorsitzenden. Die AntragstellerInnen hatten jedoch gar nicht vor, dem Parteitag sein gutes Recht zu nehmen, sondern wollten unser Parteiprogramm umsetzen und alle Mitglieder an der Sache beteiligen und sie zu konsultativ befragen. Immerhin steht im Programm, dass wir mehr Basisdemokratie wollen. Und es steht auch drin, dass wir dies selbst in unserer Partei leben wollen. Die Delegierten, die dann auf dem Parteitag die Vorsitzenden wählen, sollten damit eine Art Werkzeug an die Hand bekommen. Ein breites Meinungsbild, um sich selbst so objektiv wie möglich, ein eigenes Bild von der Meinung in der Partei machen zu können. Dieser Antrag sollte vom gfPV entschieden werden. Anders als bei anderen Anträgen, entscheidet in Fragen zu Mitgliederentscheiden nicht der ganze Vorstand. Der gfPV hat dazu ein rechtliches Gutachten bei Prof. Morlok beauftragt. Der hat die Partei unter anderem schon beim Fusionsprozess von WASG und Linkspartei.PDS beraten und ist wohl auch ziemlich kompetent auf dem Gebiet des Parteienrechts. Das Gutachten war aber so geschrieben, dass wohl auch der gfPV so seine Schwierigkeit hatte, sich da durch zu verstehen. Prof. Morlok hat alle Möglichkeiten geprüft, von der Urwahl bis zur konsultativen Mitgliederbefragung. Dummerweise versteht sich das Gutachten in Summe möglicherweise so, dass alle Alternativen wie eine "Wahl" rüberkommen. Es sollte aber niemals eine Wahl sein, weil das ja, wie schon gesagt, nur der Parteitag darf. Die AntragstellerInnen wollten die Mitglieder einfach nur befragen. Ohne rechtliche Bindung. Im Grunde das Einfachste, was man sich so an Kommunikation vorstellen kann. Jemand fragt etwas, jemand anderes antwortet darauf. Der gfPV hat das dann abgelehnt und fand die Idee nicht durchführbar, weil es wohl gegen die Satzung verstoßen würde. Zumindest las er das Gutachten des Herren Morlok so.

Verstößt das Vorhaben also doch nicht gegen geltendes Recht?

Nach meiner Auffassung nicht. Morlok führte selbst aus, dass das Parteiengesetz dem nicht entgegen steht, sondern nur eine fehlende Bestimmung in der Satzung. In der Satzung steht, dass Mitgliederentscheide zu "allen politischen Fragen" durchgeführt werden dürfen. Die Frage um den Vorsitz der Partei ist eine politische, sie ist gewissermaßen ja eine Richtungsentscheidung. Die Besetzung der Schatzmeisterei ist dagegen weniger politisch, also für einen Mitgliederentscheid wahrscheinlich weniger geeignet. Dann sagt die Satzung auch noch, dass ein Mitgliederentscheid, wenn er denn die Souveränität des Parteitages tangiert, in dem Fall also die Wahl des Vorsitzes, er nur "empfehlenden Charakter" haben darf. Nichts anderes war geplant. Soweit war also auch alles gut. Schließlich war das notwendige Quorum auch erfüllt und das war´s dann auch schon fast. Wie er also darauf kommt, dass die Satzung hier Regelungslücken hätte, erschließt sich mir nicht. Prof. Morlok hat auch noch weitreichende Ausführungen zur Frage der Durchführung einer Urwahl gemacht. Diese Frage stellte sich jedoch gar nicht. Das machte das wohl auch so schwierig. Er betrachtete alles vor dem Hintergrund einer wirklichen Wahl. Zum Beispiel zitierte er wie folgt: "Wenn das Volk, also der Souverän spricht, dann spricht er verbindlich" und meinte damit, dass es egal ist, was die Mitglieder antworten, es ist immer eine Wahl. Das ist vor dem Hintergrund einer konsultativen Befragung doch Unsinn. Bei allem Respekt vor Prof. Morlok und seinem juristischen Geschick. Aber wenn am Sonntag die Wahlumfragen erstellt werden, wird auch der Souverän gefragt. Setzt sich dann allein deswegen am Montag der Bundestag anders zusammen?

Wieso bist dann ausgerechnet Du zur Bundesschiedskommission gegangen und nicht die AntragstellerInnen?

Die Frage ist nicht so einfach und doch sehr einfach zu beantworten. Also erstmal hat sich mein Landesverband dem Antrag, der ursprünglich aus Mecklenburg-Vorpommern kam, angeschlossen. Als der abgelehnt wurde, haben wir im Landesvorstand, dem ich auch angehöre, mehrheitlich gemeint, dass das zwar schade ist, aber wir nicht dagegen vorgehen. Ich war von Anfang an dagegen, nicht vor die Schiedskommission zu gehen. Aber ich habe den Beschluss respektiert. Schließlich entschied die Mehrheit. Und ich kann auch die politische Intention verstehen, niemand wollte den nächsten offenen Streit verursachen und verantworten. Dennoch bin ich für mich allein betrachtet auch Mitglied der Partei und habe damit die entsprechenden Rechte, von selbst die Kommission anzurufen. Und eine Mehrheitsentscheidung muss nicht zwingend jeder für richtig erachten. Ich konnte mich nicht mit dieser Entscheidung des gfPV anfreunden, beim besten Willen. Es entsprach einfach nicht meinen Vorstellungen, wie mit einem Minderheiten- und Mitgliederrecht umgegangen werden soll. In unserer Partei darf man auch mal gegen die Entscheidungen von "denen da oben" sein. Das ist sogar gewünscht, wenn man das Programm so verstehen mag. Basisdemokratie bedeutet ja nicht nur, dass alle alles abnicken sollen. Basisdemokratie heißt auch, dass die Mitglieder gegen eine Entscheidung eines übergeordneten Gremiums vorgehen dürfen. Und das darf ich auch, wenn ich als einfaches Mitglied eine Entscheidung des Bundesvorstands oder eben wie hier, des gfPV nicht hinnehmen will. Das habe ich dann getan. Ohne Schaum vor dem Mund, ohne Knüppel in der Hand. Hier sah ich einfach die Chance, endlich mal auf die Bremse zu treten. Wir hatten z.B. bereits die Sympathisierendenrechte stark eingeschränkt. Das war ja schon übel genug auf dem letzten Parteitag.

Meinst Du nicht, dass die Entscheidung nun, wo sie auch öffentlich ist, skandalträchtig ist? Immerhin kann es so ausgelegt werden, dass ein einzelnes Mitglied der Partei den Vorstand belehren lies.

Könnte es, sollte es aber nicht. Im Grunde könnte man sich auch sagen: "Aha, da gibt´s eine Schiedskommission und da kann man ganz normal solche Fragen stellen." Skandalisieren lässt sich doch alles, aber ob das geeignet ist, weiß wohl nur die BILD-Redaktion oder eine schiesswütige Wald- und Wiesenjournallie. Der gfPV hat sich halt geirrt. Ihm bösen Willen oder mir Tollwut zu unterstellen, wäre Quatsch. Ich habe aber auch weder der Presse davon berichtet, noch irgendwo im Vornherein darüber gebloggt. Warum auch Wasser auf die Mühlen gießen, die sich sowieso hauptsächlich durch Mord und Totschlag drehen?

Denkst Du, dass es nun doch noch einen Mitgliederentscheid vor dem Bundesparteitag geben wird?

Wenn Du jemanden findest, der oder die das in knapp vier Wochen schafft? Im Ernst: Es war nicht geplant, den Mitgliederentscheid zu erzwingen. Davon hätte doch niemand etwas gehabt. Die, die schon von Anfang an dagegen waren, hätten nur noch mehr gezappelt und die, die ihn beantragt haben, wollten eine Befragung der Mitglieder, die ohne Reibereien und im Einvernehmen von statten geht. Am Anfang hatte ich einen Antrag gestellt, der eine vorläufige Maßnahme beinhaltete, da damals noch die Zeit dafür gewesen wäre, einen durchzuführen. Für diese Sache war ich aber auch nicht antragsberechtigt, da ich kein Landesverband bin oder keiner der Antragsteller. Als wir nun aber verhandelt haben, waren wir uns alle einig, dass dies jetzt nicht machbar und nicht sinnvoll ist. Es ging diesmal schlicht ums Prinzip, das lag im Feststellungsinteresse der Schiedskommission. Und darum, dass in Zukunft solche Anträge nicht abgelehnt, sondern unterstützt werden.

Würdest Du wieder vor die Schiedskommission gehen?

Eigentlich hoffe ich das nicht, das strengt ja auch an. Aber jetzt wo ich weiß, wie das funktioniert, warum nicht? (lacht) Was mich im Nachhinein mehr stört, ist nicht die Entscheidung des gfPV, die ist ja nun Geschichte. Ich bin allerdings umso mehr verstimmt, als die Schiedskommission nur meinen Antrag zu behandeln hatte. Wir hatten zum damaligen Zeitpunkt knapp 70.000 Mitglieder im gesamten Bundesverband. Und etliche haben sich geärgert, als der genannte Antrag abgelehnt wurde. Er war eine gute Chance, endlich das vorzuleben, was wir immer fordern. Und niemand sonst ging gegen die Entscheidung vor. Das ärgert mich wirklich.

Danke für das Gespräch.

Immer wieder gern.

 

ACHTUNG: Entgegen dem kursierenden Abstimmungsergebnis der Bundesschiedskommission von 6:1:1 Stimmen, lautet es korrekt: 5 JA / 1 NEIN / 1 ENTHALTUNG.

Das Protokoll der mündlichen Verhandlung findet Ihr HIER.

Kategorien: Mitbestimmung, DIE LINKE.

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