Rico Gebhardt: "Der 'Schuldenbremse' die unsozialen Zähne gezogen"
Am 1. Februar 2013 unterzeichneten die sächs. Fraktionsvorsitzenden von CDU, LINKE, SPD, FDP und Grünen gemeinsam eine Vereinbarung zur Änderung der Sächs. Verfassung. Dem voraus gingen monatelange zähe Verhandlungen. Bei der Abstimmung im Plenum wird für die Fraktion DIE LINKE das Votum ihrer Parteigremien selbstverständlich maßgeblich sein. Zur aktuellen Debatte dazu innerhalb der LINKEN nimmt Rico Gebhardt Stellung:
Die Verfassung ist für uns LINKE in Sachsen ein wichtiges Instrument unserer Politik – so konnten wir mehr als ein Dutzend Mal die von der CDU geführte Staatsregierung vorm Verfassungsgerichtshof in Leipzig in die Schranken weisen, während wir im Landtag mit unseren Anträgen und Gesetzentwürfen regelmäßig auf Ablehnung stießen. Deshalb ist die allererste Änderung dieser Landesverfassung nach zwei Jahrzehnten auch etwas, was nicht leichtfertig als Paragrafen-Gedöns abgetan werden darf.
Wenn die am 1. Februar 2013 unterzeichnete Vereinbarung Wirklichkeit werden würde, verfügt Sachsen als einziges (!) Bundesland über den Grundsatz „des sozialen Ausgleichs“ bei der Aufstellung des Landeshaushalts – so lautet der von uns nun durchgesetzte Zusatz im Artikel 94 der sächsischen Verfassung. Bereits 2008 hatte sich die LINKE-Landtagsfraktion mit ihrem Gesetzentwurf zur Ausgestaltung des sächsischen Sozialstaatsprinzips in der Landesverfassung auf diesen Weg begeben, den wir nun konsequent zu Ende gehen: Wir wollen nichts unversucht lassen, damit eben nicht nur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die Aufstellung der Haushaltspläne dominieren.
Damit bin ich schon beim für LINKE heiklen Thema Schuldenbremse. Und hier möchte ich gleich mit einem Missverständnis aufräumen: Wir LINKE wollen sie nicht in Sachsen einführen, sondern deren Auswirkung entscheidend abschwächen. Bei Steuermindereinnahmen von mindestens drei Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen vier Jahre können auch künftig Kredite aufgenommen werden – und das gegen den Wunsch der schwarz-gelben Koalition sogar mit einfacher Mehrheit im Landtag. Damit wird konjunkturellen Erfordernissen Rechnung getragen und der landespolitische Handlungsspielraum trotz der bereits – gegen unseren Willen – beschlossenen Schuldenbremse im Bund erweitert.
Ich meine, dies ist eine für Sachsen sehr gute Regelung. Seit 2006 hat der Freistaat keine Kredite mehr aufgenommen, und unsere alternativen Haushaltsansätze kommen seit dem Jahr 2000 sowieso ohne zusätzliche Neuverschuldung aus. Sachsen ist das Bundesland mit der höchsten Investitionsquote – ohne Kredite. Natürlich haben wir ganz andere politische Schwerpunkte und Ziele als die amtierende schwarz-gelbe Koalition – z. B. Stichwort „Bildung statt Beton“. Doch die erreichen wir durch Umschichtung vorhandener Mittel.
Selbstverständlich dürfen auch die Kommunen nicht zu den Opfern der Schuldenbremse werden. Mit der Änderung des Artikels 85 der Landesverfassung wird den Kommunen der finanzielle Ausgleich für ihnen übertragene Aufgaben endlich grundsätzlich und umfassend garantiert. Das ist ein enormer Fortschritt.
Deshalb werbe ich persönlich für die Annahme dieses Verhandlungsergebnisses in der Partei. Ich glaube, dass es unseren zwei Verhandlungsführern Klaus Bartl und Sebastian Scheel in rund einjährigen Verhandlungen gelungen ist, einen Vorschlag zu erreichen, der eine klare linke Handschrift trägt. Es ist zudem in Sachsen eine demokratische Zeitenwende, wenn wir unter Beteiligung von Vertretern der CDU, die bisher stets auch den kleinsten unserer Anträge im Landtag abgelehnt hat, ein Bündel von Änderungen der Verfassung hinbekommen. Nun soll mir keiner sagen, mit der CDU dürfe man sowas nicht machen. Ja, aber ohne CDU gibt es in diesem Landtag keine 2/3 Mehrheit zur Änderung der Verfassung. Selbst wenn wir ab 2014 regieren könnten in Sachsen, braucht es für eine Verfassungsänderung immer (!) die CDU.
Ich glaube außerdem nicht, dass LINKE Politik umso glaubwürdiger wird, wenn wir stets den Eindruck erweckten, soziale Gerechtigkeit sei nur mit dauernder Neuverschuldung zu erreichen. Man kann meiner Meinung nach auch nicht in unserem aktuellen Entwurf des Bundeswahlprogramms einerseits überbordende Staatsverschuldung als schweres Übel brandmarken, und andererseits Schuldenbegrenzung für Teufelszeug erklären. Nach meiner festen Überzeugung, haben wir in den Verhandlungen der „Schuldenbremse“ in Sachsen ihre unsozialen Zähne gezogen und wichtige Essentials unseres LINKEN Markenzeichens in die Vereinbarung geschrieben.
Mir ist klar, dass die „Schuldenbremse“ in anderen Bundesländern nicht „hilfreich“ ist. Ja, sie ist vielerorts ein ernsthaftes Problem. Und die Grundsatzkritik der Fraktionsvorsitzenden-Konferenz aus dem Jahre 2010 besteht zu Recht fort. Ich glaube aber, dass unser sehr konkretes Verhandlungsergebnis für das Land Sachsen sehr sinnvoll ist.
Und zum Schluß: Der von uns hineinverhandelte „soziale Ausgleich“ als Haushaltsprinzip und die Finanzierungsgarantie für die Kommunen leben auch dann fort, wenn es die „Schuldenbremse“ eines fernen Tages nicht mehr geben wird.
Kategorien: Bundespolitik, Sachsen, Kommunalpolitik, Wirtschaft, Finanzen, Soziales
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