Nachgereicht: Rede von Eberhard Schneidenbach zum 27. Januar
An dieser Stelle dokumentieren wir mit freundlicher Genehmigung von Herrn Eberhard Schneidenbach, dessen Rede zur Gedenkveranstaltung anlässlich des 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus:
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Werte Bürgerinnen und Bürger!
Liebe Freunde!
In der Proklamation des Bundespräsidenten
Roman Herzog vom 03. Januar 1996 heist es unter anderem:
„1995 jährte sich zum 5o. Mal das Ende
des 2. Weltkrieges und der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
In diesem Jahr haben wir uns in
besonderer Weise der Opfer des
nationalsozialistischen Rassenwahns
und des Völkermordes erinnert und der
Millionen Menschen gedacht,
die entrechtet, verfolgt, gequält
oder ermordet wurden.
Symbolhaft für diesen Terror steht
das Konzentrationslager Auschwitz –
Birkenau, das am 27. Januar 1945
befreit wurde.
Die Erinnerung darf nicht enden;
sie muss auch künftigen
Generationen zur Wachsamkeit
mahnen.
Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des
Erinnerns zu finden, die in die Zukunft
wirkt.
Sie soll Trauer über Leid und Verlust
ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer
gewidmet sein und jeder Gefahr der
Wiederholung entgegenwirken.
Ich erkläre den 27. Januar
zum Tag des Gedenkens an die Opfer
des Nationalsozialismus.“
Soweit das Bundesgesetzblatt von 1996, Teil 1 Seite 17.
Übrigens erklärten 2005 die Vereinten Nationen den 27. Januar zum Internationalen
- Holocaust-Gedenktag -
Einige Gedanken zur Geschichte:
Mit der Machtergreifung Hitlers am
30. Januar 1933 und dem Brand
des Berliner Reichstagsgebäudes
im Februar 1933 nahm die unselige deutsche Geschichte ihren Lauf.
Bereits im April 1933 wurde mit der Säuberung des Staatsapparates begonnen.
1.) Beamte, die nach ihrer bisherigen
politischen Betätigung nicht die Gewähr
dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos
für den nationalen Staat eintreten, können
aus dem Dienst entlassen werden.
Ungeeignet sind alle Beamten die der
kommunistischen Partei, oder einer ihr
nahe stehenden Organisation angehören,
sind zu entlassen.
2.) Beamte, die nicht arischer Abstammung
Sind, sind in den Ruhestand zu versetzen.
Es folgte ein Berufsverbot für alle Menschen, die nicht arischer Abstammung waren.
Am 28. und 29. Oktober 1938 transportierten die deutschen Behörden
17.000 Juden polnischer Herkunft an die Grenze zu Polen.
Die Massenabschiebung war das Vorspiel zur
„Reichskristallnacht“ am 9. November 1938.
In den späten Abendstunden des
09. November 1938 begann das erste Pogrom des NS-Staates und ging als „Reichskristallnacht“ in die Geschichte ein.
- Mehr als 100 Juden wurden ermordet,
- Hunderte zusammengeschlagen und
teilweise schwer verletzt,
- 7.500 Geschäfte und 270 Synagogen und
unzählige Wohnungen wurden verwüstet
und zerstört.
- 30.000 jüdische Männer und Jugendliche
wurden festgenommen und in die KZ
gebracht.
Die Zerstörung eines Kaufhauses vollzog sich auch in dieser Stadt.
Das menschenverachtende und barbarische System hat in den 12 Jahren seiner Herrschaft den europäischen Kontinent
in einen Dschungel verwandelt,
- wo Verbrechen als Heldentaten,
- Grausamkeit als Mut,
- Käuflichkeit als Tugend und
- Rohheiten als Kultur galten.
Noch nie zuvor war die Menschheit dem Untergang so nahe gewesen.
Wer sich widersetzte war ein Volksverräter,
ein ehrloser Mensch, kam in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, Dachau, Maidaneck, Sachsenhausen, Buchenwald oder in andere KZ’ s
der 28 Hauptlager oder in
eines der 2000 Außenlager.
Jüdische Menschen und Osteuropäer
galten als Untermenschen und
Gegner des Faschismus standen auf den Vernichtungslisten.
Die Häftlinge der KZ’s wurden als billige Arbeitskräfte für die Rüstungsbetriebe genutzt und schonungslos ausgebeutet.
Wer nicht mehr arbeitsfähig war kam
in die Gaskammer.
Es stockt einem der Atem, mit welcher mörderischen Perfektion diese Tötungsfabriken betrieben wurden.
Auch in unserem Kreis Borna gab es ein Außenlager vom KZ Buchenwald,
im „Großem Fürstenholz“ in Flößberg.
Dieses Lager wurde im November 1944 errichtet und bestand aus 10 – 14 Häftlingsbaracken, mehrere Bewacher-
und Arbeitsgebäude.
Als Erbauer waren, die Häftlinge selbst tätig.
Sie waren in der Zeit des erbauen im Saal des Gasthofs Flößberg untergebracht.
Sie liefen bei jedem Wetter 2-mal durchs Dorf zur Arbeit, in ihrer dünnen und
schlechten Häftlingsbekleidung und das klappern der Holzschuhe dröhnte ihnen nach.
Keiner hat sie gesehen, keiner hat sie gehört!
Mehr als 1900 Häftlinge, zumeist ungarische und polnische Juden, zwangsverpflichtete Franzosen, Belgier und Holländer durchliefen bis Mitte April
1945 das Lager und mussten unvorstellbar schwer arbeiten.
Das Lager entstand infolge der zunehmenden Luftangriffe auf das
Leipziger HASAG – Werk.
In dieser Außenstelle des HASAG - Werkes wurden unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen Panzerfäuste hergestellt.
Nachweislich kamen in Lager 235 Menschen um.
Eine Vielzahl wurde nach Buchenwald,
oder ins Krematorium des Südfriedhofes in
Leipzig, zur Einäscherung gebracht,
oder im „Großem Fürstenholz“ Flößberg, verscharrt.
Am 12. April 1945 wurden die 1144 verbliebenen Häftlinge in Begleitung
der SS-Wachmannschaft
mit Bahntransporten „evakuiert“.
Es dauerte einige Zeit, bis die Aufmerksamkeit der US-Armee auf das geräumte Außenlager bei Flößberg fiel.
Erst in den letzten Apriltagen 1945 wurden
Massengräber entdeckt.
Durch die amerikanische Militärregierung
wurde die Öffnung der Massengräber und die Exhumierung der Leichen angeordnet.
Am 30. April 1945 wurden 98 geborgene
Opfer hier in der Lobstädter Straße in einer
Öffentliche Trauerfeier bestattet.
In den folgenden Wochen wurden weitere Massengräber im „Großen Fürstenholz“ in Flößberg entdeckt.
Damals wurde entschieden, die 38 Opfer, in Einzelgräber im Flößberger Wald neu bestattet.
So entstand der „Flößberger Friedhof“
im Frühsommer 1945
Die Opfer fanden somit ihre letzte Ruhestätte.
In den vergangenen 69 Jahren begann
eine wechselvolle Geschichte des Friedhofes hier in der Lobstädter Straße als auch im „Großen Fürstenholz“ im Flößberger Wald.
Die 98 Einzelgräber in der Lobstädter Straße sowie die 38 Einzelgräber im Flößberger Wald wurden eingeebnet und verschwanden unter einer Rasendecke.
Auf Ininative einer Vielzahl von Bürger und eines Stadtratsbeschluss wurde dieser Ehrenhain in der Labstädter Straße neu gestaltet.
Heute findet im „Großem Fürstenholz“
im Flößberg Wald eine Gedenkstunde statt,
dem Ausgangspunkt für diesen
Ehrenhain hier, in der Lobstädter Straße.
Wir wollen all der Menschen gedenken,
die ihr Leben geben mussten.
Es darf sich niemals mehr derartiges wiederholen.
Verharren wir im stillen Gedenken!
Kategorien: Antifaschismus, Antirassismus, DIE LINKE., Frieden, Internationales, Landkreis
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