12. November 2010 Redaktion

Linke Energiestrategien: Landesparteitag in Schkeuditz

Quelle: Michael Andre May / pixelio.de

Quelle: Michael Andre May / pixelio.de

Am morgigen Samstag, den 13. November, wird in Schkeuditz der Landesparteitag der sächsischen LINKEN stattfinden. Er steht diesmal ganz im Zeichen eines zukunftsfähigen Energieprogramms für Sachsen. Neben einem Eckpunktepapier werden auch Anträge aus den Kreisverbänden behandelt.

Mitglieder des Kreisverbands Westsachsen wollen mit einem eigenen Änderungsantrag erreichen, dass in die energiepolitische Diskussion auch klare Transformationskonzeptionen für die Braunkohleregionen Sachsens einfließen. Das Diskussionspapier dazu stellen wir Ihnen hier zu Verfügung:

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Chancen eines Sozialökologischen Umbaus

Diskussionspapier von Mitgliedern des Kreisverbands Westsachsen von DIE LINKE.

„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
(Albert Einstein)

DIE LINKE in Sachsen will auf ihrem Parteitag am 13. November 2010 in Schkeuditz nun ein eigenes Energiekonzept auf den Weg bringen. Als Ergebnis einer Arbeitsgruppe hat der Landesvorstand zu diesem Zweck den Antrag „Eckpunkte zur Energiestrategie der Linken.Sachsen – für ein zukunftsfähiges Energieprogramm Sachsen 2020“ eingebracht. Dabei geht es, so der Landesvorsitzende Rico Gebhardt, „um Angebote zum sozial-ökologischen Umbau unserer Gesellschaft. Dies betrifft sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens und umfasst Themen wie eine  umweltgerechte Mobilität, die energetische Basis der Industrie und Unternehmen, die Umorientierung des Tourismus, den Umbau der Land- und Forstwirtschaft, die Abfallwirtschaft, die Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung, die Beschaffenheit der Haushaltgeräte, die Kommunikationsmöglichkeiten, die Wärmedämmung und Wärmeversorgung von Wohnungen und Gebäuden und vieles mehr.“

Auf Grund der Debatten rund um die programmatische Ausrichtung unserer Partei im Wahljahr 2009 war ersichtlich, dass, insbesondere dann, wenn es um die Frage der Braunkohle geht, große Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Mitgliedern zu erwarten sind. Dies kulminiert nun in einem Ersetzungsantrag zum vorliegenden Entwurf durch Dietmar Braune, Michael Friedrich, Bernd-Uwe Haase und andere.
 
Als Mitglieder eines Kreisverbandes, welcher in einer durch den Braunkohleabbau stark geprägten Region agiert, sehen wir uns daher in der Pflicht, einen eigenen Standpunkt in und zu dieser Debatte zu formulieren. Viele der Diskussionen, die nun geführt werden, sind so oder ähnlich auch schon bei uns geführt worden.

Fossile Brennstoffe als bisheriger Träger industrieller Veränderung

Die Entwicklung unserer heutigen Gesellschaft ist untrennbar verbunden mit dem Zugang zu Energie. Durch die Industrielle Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts wandelte sich Deutschland von einer agrarisch geprägten zu einer industriellen und nunmehr postindustriellen Gesellschaft. Moderne Arbeitsprozesse, Arbeitsteilung, Spezialisierung und damit verbunden das Ende der Abhängigkeit von der Substitutionswirtschaft sind mit den Industrialisierungsprozessen untrennbar verbunden. Die technischen und wirtschaftlichen Veränderungsprozesse waren ebenso Basis für soziale und gesellschaftliche Entwicklungen. Grundlage der Industrialisierung bildete dabei der Rückgriff auf fossile Energieträger zur Energiegewinnung. Ohne diesen wäre die Entwicklung einer industrialisierten Gesellschaft zu dieser Zeit undenkbar gewesen.

Dem gesellschaftlich-technologischen Fortschritt in industrialisierten Gesellschaften stehen jedoch die negativen Folgen dieser Entwicklung entgegen:

Seit Beginn der Industriellen Revolution hat ein kleiner Teil der Menschheit ein Vielfaches an fossilen Energieträgern verbraucht als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor. Die Abhängigkeit von endlichen Energieträgern zum Aufrechterhalten des gesellschaftlichen und technischen Standards hat somit langfristig keine Perspektive. Gleichzeitig konnte in den vergangenen Jahrzehnten ein Anstieg der Durchschnittstemperatur der erdnahen Atmosphäre und der Meere beobachtet werden. Zwischen 1906 und 2005 hat sich die durchschnittliche Lufttemperatur in Bodennähe um 0,74 °C erhöht. Hierfür ist nach gegenwärtigem wissenschaftlichem Verständnis sehr wahrscheinlich die Verstärkung des natürlichen Treibhauseffektes durch menschliches Einwirken verantwortlich zu machen. Die menschengemachte Erwärmung entsteht dabei nicht nur durch eine weltumfassende Entwaldung sowie Land- und Viehwirtschaft, sondern insbesondere durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe. Dadurch werden CO2 und weitere Treibhausgase wie Methan und Lachgas in der Erdatmosphäre angereichert, so dass weniger Wärmestrahlung von der Erdoberfläche in das Weltall abgestrahlt werden kann.

Seit Beginn des vorigen Jahrhunderts und insbesondere nach 1945 ist der Ausstoß von durch den Menschen emittierten CO2 als direkte Folge der Industrialisierung rasant angestiegen.

Der anthropogene Anteil an der weltweiten Klimaveränderung ist daher nicht zu leugnen.

Nachhaltige Energiekonzeption – Ökologisch und sozial

Vor dem Hintergrund der Endlichkeit von Ressourcen, im Bewusstsein der ökologischen Folgen der bisherigen Energiekonzeption und in Verantwortung vor den zukünftigen Generationen ist der Schritt zu einer Unabhängigkeit von endlichen fossilen Brennstoffen zur Deckung des menschlichen Energiebedarfs alternativlos. Dies trifft auch und vor allem auf die Braunkohle zu, die auf Grund ihres gegenüber anderen fossilen Brennstoffen geringen erdgeschichtlichen Alters und des damit noch nicht abgeschlossenen Inkohlungsprozesses einen eher geringen Heizwert aufweist.

Die Braunkohle war und ist ein wichtiger Faktor zur Sicherung der Energieversorgung in Sachsen und Deutschland. Dennoch ist aus unserer Sicht die mittelfristige Überwindung der Braunkohle als Energielieferant alternativlos. Insbesondere im Hinblick auf den notwendigen starken Eingriff in die Natur zur Gewinnung dieser fossilen Ressource, vor dem Hintergrund der starken Schadstoffbelastung und der Endlichkeit der Braunkohle ist ein perspektivischer Ausstieg zu forcieren. Die Nutzung der Kohlendioxidabscheidung und – Speicherung ist auch als technische Zwischenlösung zur Verbesserung der Umweltbilanz fossiler Brennstoffe abzulehnen. Dieses Verfahren löst das Problem der Erzeugung und Emittierung von CO2 nicht. Die Risiken der CCS-Technologie sind noch unerforscht. Ähnlich wie bei der Endlagerfrage für Atommüll kann ein dauerhafter Verschluss des CO2 nicht garantiert werden. Auch ist die Einlagerung irreversibel, was wiederum zu Nutzungskonflikten mit Techniken wie Geothermie oder Druckluftspeichern für die Windkraft in den begrenzten Ressourcen geeigneter Speicherkapazitäten führt. Durch zu erwartende hohe direkte Subventionen für CCS würden darüber hinaus Ressourcen zu Lasten der Entwicklung dauerhafter Alternativen in den erneuerbaren Energien gebunden.

Mit dem Verweis auf die soziale Komponente der Entwicklung des Strompreises den Ausbau Erneuerbarer Energien zu verschleppen halten wir für fatal. Die Strompreissteigerung allein auf die Einspeisevergütung Erneuerbarer Energien zurückzuführen wäre eine falsche Argumentation. Zwischen 2000 und 2008 stiegen beispielsweise die Preise pro Kilowattstunde in Leipzig von 11 Cent auf 21 Cent, bundesweit zwischen 2005 und 2008 um insgesamt 38 Prozent. Ausgehend davon, dass die eigentliche Energieerzeugung lediglich 20 Prozent des Strompreises ausmacht, ist eine solche Entwicklung allein durch den Ausbau Erneuerbarer Energien nicht zu erklären. Sie ist letztlich dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher seinen Strom nach der Liberalisierung des Strommarktes in der Anbieterebene zwar von unterschiedlichen Versorgern bezieht, jene aber im Marktgeschehen nicht autonom agieren, sondern mit den vier großen Stromkonzernen interagieren, welche direkt oder indirekt über Drittfirmen Anteile an den Quellen, nämlich den Ortsversorgern erwirtschaften, und insofern über den Strompreis bestimmen können, indem sie beispielsweise die Bezugspreise für die Ortsversorger oder Entgelte für die Netznutzung erhöhen. Nicht allein Erneuerbare Energien, sondern ein regelrechtes Marktversagen hat in den letzten Jahren zu massiven Preissprüngen in den Strompreisen geführt. Der Ausbau Erneuerbarer Energien in dezentralen Strukturen schafft deshalb auch eine Möglichkeit einer breiteren bürgerschaftlichen Beteiligung und damit die Zerschlagung semioligarchischer Strukturen in der Energieerzeugung und -versorgung.

Wenn DIE LINKE in Sachsen ihrer Energiepolitischen Konzeption sozialökologische Gesichtspunkte zugrunde legt, ist es jedoch mit einem bloßen Nein zur Braunkohle nicht getan. Für einen gesetzlichen Ausstieg aus der Braunkohle um 2040 sind nicht nur Willensbekundungen zur Transformation von Beschäftigung in den von der Braunkohlewirtschaft abhängigen Regionen notwendig, sondern tragfähige konzeptionelle Vorschläge, welche den Beschäftigten, den Einwohnern aber auch den Kommunen in diesen Regionen eine Perspektive bieten. Insofern fordern wir die Partei nachdrücklich auf, im Zuge der Diskussion um die Energiepolitischen Leitlinien auch konzeptionelle Vorschläge zur wirtschaftlichen Transformation in diesen Regionen zu erarbeiten.

Die Überwindung fossiler Energieträger für die Deckung des menschlichen Energiebedarfs ist aus unserer Sicht keine Zukunftsaufgabe, die mit dem Ende der fossilen Ressourcen erreicht sein muss, sondern vor dem Hintergrund der ökologischen Folgen eine Aufgabe mit Tagesaktualität. In diesem Sinne stehen wir für eine sozialökologische Erneuerung mit klaren Transformationsperspektiven nicht nur für die betroffenen Regionen.

 

UnterzeichnerInnen:

Ines Graichen
Mitglied des Kreisvorstandes

Simone Luedtke
Oberbürgermeisterin Stadt Borna

Heike Werner
Mitglied des Landtages
Vors. d. Kreistagsfraktion DIE LINKE

Dr. Axel Troost
Mitglied des Bundestags
Mitglied des Landesvorstandes

Holger Luedtke
Kreisvorsitzender

René Jalaß
Mitglied des Kreisvorstands
Pressesprecher

Daniel Knorr
Mitglied des Kreisvorstands
Kreisgeschäftsführer DIE LINKE.Westsachsen

Thomas Dudzak
Mitglied der Redaktionsgruppe
AG "Parteientwicklung 2020.Westsachsen"

Enrico Stange
Mitglied des Sächsischen Landtages
Mitglied des Kreisvorstandes

Kategorien: Sachsen, Ökologie, Landkreis

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