27. September 2011 Redaktion

Linke-Abgeordnete bemängeln halbgewalkte Polizei-Reform - Auch im Landkreis Leipzig qualitative Verschlechterung absehbar

Die Diskussion um die Polizeipräsenz in Sachsen und auch im Landkreis Leipzig ist voll im Gange. Unsere Abgeordneten Kerstin Köditz (MdL) und Enrico Stange (MdL) nahmen sich zusammen mit ihren KollegInnen im Sächsischen Landtag des Themas an.

Kerstin Köditz hatte sich bereits vor Kurzem zum Thema geäußert. Ihrer Meinung nach, ist es eine Milchmädchenrechnung, dass es mit weniger Polizisten nicht mehr Sicherheit geben kann. Es werden nur halb so viele junge Beamte eingestellt werden wie eigentlich notwendig wären, um die ausscheidenden zu ersetzen. Durch diese Überalterung und die gleichzeitige Verlängerung der Dienstzeit wird folgerichtig auch der Krankenstand erhöht.“ Diese Kritik wird auch von den Polizeigewerkschaften geteilt, die man aber im Vorfeld nicht einbezogen habe. „Es ist eben wie immer bei der Staatsregierung“, fasst sie bitter zusammen. „Man malt erst das Schlimmste an die Wand, nimmt dann halbherzige und unzureichende Verbesserungen vor und feiert das als Erfolg.“

Sie könne zwar die Freude von Wurzens Oberbürgermeister Jörg Röglin darüber verstehen, dass die schlimmsten Befürchtungen in der Stadt bezüglich der Herabstufung des bisherigen Reviers nicht Wirklichkeit geworden seien, es gäbe aber keinerlei Anlass zur Entwarnung in Bezug auf die bevorstehende Polizeistrukturreform.

„Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass weiterhin mit falschen Karten gespielt wird“, meint sie. „Natürlich ist es nur die halbe Wahrheit, wenn Landespolizeipräsident Bernd Merbitz erklärt, es werde mehr Polizei in Wurzen geben. Die Personalkürzungen werden nur an andere Orte verlagert oder wie in Wurzen durch Umsetzungen kaschiert.“ Das von Merbitz eingeforderte Vertrauen könne angesichts einer solchen Informationspolitik nur schwer wieder hergestellt werden.

Zusammen mit Rico Gebhardt, dem innenpolitischen Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Landtag, hat der Bornaer Abgeordnete Enrico Stange eine Kleine Anfrage eingereicht. Nach deren Meinung habe die Staatsregierung einfach darauf los konzipiert und die Realität dabei völlig ausgeblendet. Weniger PolizistInnen an den einzelnen Standorten, verlagerte Posten und halbierte Einstellungszahlen auf der einen Seite und ein steigender Krankenstand auf der anderen Seite würden die Situation insgesamt nur verschlechtern. So fragen sie dann die Staatsregierung:


1.    Wie stellt sich die (Soll-)/Ist-Personalstärke 2011 in den Polizeiposten, den Polizeirevieren und Polizeidirektionen sowie der Bereitschaftspolizei, dem Landeskriminalamt, der Landespolizeidirektion Zentrale Dienste sowie der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) im Vergleich zu den Jahren 2009 und 2010 dar? (Bitte einzeln nach Jahren, Polizeidienststellen sowie Beamtinnen und Beamten auflisten)

2.    Wie stellt sich die Entwicklung des Krankenstandes in den Polizeiposten, den Polizeirevieren, den Polizeidirektionen, der Bereitschaftspolizei, der Landespolizeidirektion Zentrale Dienste sowie der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) im Vergleich zu den Jahren 2009 und 2010 dar? (Bitte nach einzelnen Polizeidienststellen, nach Jahren, Beamtinnen und Beamten sowie mittleren, gehobenen und höheren Dienst auflisten)

3.    Wie stellt sich die Entwicklung des Durchschnittsalters im Polizeivollzugsdienst 2011 im Verhältnis zu 2009 und 2010 dar? (Bitte nach Altersgruppen bis 30 Jahre, bis 40 Jahre, bis 50 Jahre, bis 60 Jahre und über 60 Jahre, nach Polizeidirektionen und Revierverbunde sowie nach mittleren, gehobenen und höheren Dienst auflisten)

4.    Für wie viele Arbeitsstunden im Verhältnis zur Monatsarbeitszeit wurden Bürgerpolizistinnen und Bürgerpolizisten in den Jahren 2009, 2010 und dem 1. Halbjahr 2011 als Ersatz für erkrankte Beamtinnen und Beamte, zur Besetzung von Fehlstellen bzw. im Rahmen von Einsätzen außerhalb ihres Aufgabengebietes als Bürgerpolizist eingesetzt? (Bitte nach Jahresscheiben, einzelnen Dienststellen und einzelnen Bürgerpolizisten in den Dienststellen auflisten)


Wir dürfen gespannt bleiben, wie die Staatsregierung darauf antwortet. Sehr wahrscheinlich ist aber jetzt schon, dass die verhunzte Polizeireform gerade auch in unserem Landkreis keine Verbesserung, sondern vielmehr eine qualitative Verschlechterung in puncto Präsenz und Sicherheitsgefühl mit sich bringen wird. Eine Entwicklung, die z.B. auch der Nazigewalt neuen Aufwind geben dürfte. Nazis, die sich sicher sein können, dass kein Streifenwagen weit und breit unterwegs ist, dürften so noch weniger Skrupel haben, alternative Menschen anzugreifen. Die Region hat dies in jüngster Zeit eindrucksvoll erleben müssen. Vom allgemeinen Sicherheitsgefühl der im Landkreis lebenden Menschen ganz zu schweigen.

Gebhardt drückte angesichts der Pressekonferenz zur Polizeireform, erneut seinen Unmut aus. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass mit zunehmenden Alter auch die Ausfallzeiten auf Grund von Krankheit dramatisch zunehmen, und das wird auch ein schön gerechneter Personalschlüssel nicht ändern. Die minimale personelle Aufstockung der Bürgerpolizisten als Ersatz für Polizeiposten und Reviere an sich ist schon ein Rückzug aus dem ländlichen Raum. Aber die Bemerkung des Innenministers, dass es noch Stadträte gibt, die nicht einmal den Bürgerpolizisten ihrer Stadt kennen, zeigt zusätzlich seine Unbedarftheit. Würde er die Gründe hinterfragen, wäre ihm klar, dass diese im ländlichen Raum sehr oft als Vollzugsbeamte die Schichten für erkrankte oder anderweitig ausgefallene Kollegen ersetzen, somit als Bürgerpolizisten nicht zur Verfügung stehen und auch nicht vor Ort bekannt sein können.

Da drängt sich einem nur noch schmerzhaftes Lachen auf, wenn der Landespolizeipräsident vollmundig verspricht, dass jeder Bürgerpolizist einen Dienstwagen bekommt, denn unter Beachtung der Übernahme von Schichten für erkrankte Kollegen fällt einem ein: Hat er ja schon, wenn er im Streifenwagen Dienst fährt.

Kategorien: Sachsen, DIE LINKE., Landkreis

Kommentare

Keine Kommentare zu diesem Beitrag

Hinterlassen Sie einen Kommentar