06. June 2013 Thomas Dudzak

Kommentar: Die SPIEGEL-Mär vom „Herrn Professorin“

Quelle: Stülpner / pixelio.de

Quelle: Stülpner / pixelio.de

Nun haben sie es endlich geschafft. Nach zähen, langwierigen Debatten haben die Mitglieder des Erweiterten Senates der Universität Leipzig eine Grundordnung – die Verfassung der Hochschule – beschlossen. Das Rektorat hat sie gebilligt. Und über was wird berichtet? Nicht etwa über die fast revolutionäre Einführung einer Promovierendenvertretung. Nein, in den Medien geht die Angst um vor dem Gespenst von dem „Herrn Professorin“.

Aber erst einmal alles auf Anfang: Während der Beratungen zur Grundordnung wurde auch ausführlich – andere würden sagen langwierig – über die Frage diskutiert, wie man die Personen und Ämter geschlechtergerecht bezeichnen kann. Die bisherige „Schrägstrichvariante“, also einfach immer von „Professorin/Professor“ zu sprechen, war bei den meisten Beteiligten weniger beliebt, denn sie ist vor allen Dingen eines: Umständlich. Teilweise muss man bei dieser Variante nämlich Sprache stark verbiegen, was die Verständlichkeit von Texten, insbesondere von Texten mit normierendem Charakter wie der Grundordnung der Uni Leipzig, stark beeinträchtigt. Und weil die Variante mit dem generischen Maskulinum, bei der man einfach die männliche Variante schreibt und am Anfang per Fußnote klarstellt, dass sich davon gefälligst auch die Frauen angesprochen zu fühlen haben, eben nicht gendergerecht ist, wurde irgendwann als Kompromiss die Verwendung des generischen Femininums vereinbart.

Aber was heißt das eigentlich? Nichts anderes, als dass im gesamten Text ausschließlich weibliche Personen- und Amtsbezeichnungen verwendet werden, bei deren Verwendung alle Personen männlichen oder unbestimmten Geschlechts mitgemeint sein sollen. Es ist insofern genauso konsequent, wie das generische Maskulinum, das einfach alle männlichen Personenbezeichnungen auf nichtmännliche Personen erweitert, dreht den Spieß aber einfach um.

Das bedeutet konkret, dass in der Grundordnung nun von „Professorinnen“ gesprochen wird, wenn „Professorinnen und Professoren“ gemeint sind, von „Rektorin“, selbst dann, wenn mal wieder ein Rektor männlich ist. An der Amtsansprache ändert sich dadurch genau nichts. Frau Rektorin und Herr Professor können sich weiter ohne Umstellungen so bezeichnen und auch so angesprochen werden. Wenn, ja wenn da nicht der SPIEGEL wäre. Genauer sein Onlineableger Spiegel Online. Da muss es nämlich ziemlich langweilig im Ressort UniSpiegel zugegangen sein, als ein Redakteur auf einen Artikel zur Grundordnung stieß und von der Verwendung des generischen Femininums las. Flux getippt war ein Text, in dem von „Sprachreform“ die Rede war und der unterstellte, die korrekte Amtsansprache sei in Zukunft „Herr Professorin“. Und der gesamte Pressewald tippte ab.

Nun ist die Mär in der Welt und die teilweise strafrechtlich relevanten Äußerungen der vorwiegend männlichen Foristen großer deutscher Nachrichtenportale lassen tief blicken - auch und gerade, dass es mit der Gleichstellung in unserer Gesellschaft noch nicht allzugut gestellt ist. So wird aus der Mär vom „Herrn Professorin“ am Ende eher eines: Ein tiefer Einblick in das unreflektierte Abschreiben innerhalb der Presselandschaft. Denn ernstlich nachgehakt und recherchiert zum Thema können die Journalistinnen und Journalisten, die sich wie die Geier auf diesen Skandal vom Reißbrett stürzten, nicht wirklich haben.

 

Thomas Dudzak war Sprecher des StudentInnenRates der Universität Leipzig 2008/2009 und ist Mitglied des Kreisvorstandes von DIE LINKE. Westsachsen.

Kategorien: Sachsen, Bildung

Kommentare

Jörg 06.06.2013, 16:13 Uhr
Gravatar: Jörg

"Und weil die Variante mit dem generischen Maskulinum, bei der man einfach die männliche Variante schreibt und am Anfang per Fußnote klarstellt, dass sich davon gefälligst auch die Frauen angesprochen zu fühlen haben, eben nicht gendergerecht ist, wurde irgendwann als Kompromiss die Verwendung des generischen Femininums vereinbart."

aber wenn der generische Maskulinum nicht gendergerecht ist, warum ist es dann der generische Femininums??

achim 06.06.2013, 19:10 Uhr
Gravatar: achim

Habt ihr wirklich keine anderen Probleme....bei euch hackt es doch im Oberstübchen

Kommentar: Bitte achten Sie auf Ihre Wortwahl.

Thomas Dudzak 06.06.2013, 21:01 Uhr
Gravatar: Thomas Dudzak

@Jörg: Das generische Femininum ist aus meiner Sicht dem Grunde nach nicht gendergerecht. Was an dem Akt jedoch gendergerecht ist, ist, dass ein Gremium, das mehrheitlich männlich besetzt ist, es schafft, sich mehrheitlich dazu zu entschließen, nicht auf die männliche Bezeichnung in der Grundordnung zu bestehen. Zumal eine Mehrheit der Angehörigen der Universität Leipzig weiblich ist und sich die Ansprache tatsächlich nicht ändert. Man nur in der Grundordnung statt der steten männlichen Bezeichnung eine weibliche. Für einige mag das ganz schlimm sein, aber das sagt mehr über diese Leute aus als über die Grundordnung der UL.

@achim: Die Frage stelle ich mir bei der empörten Gegenseite die ganze Zeit. Kein Einziger ist tatsächlich davon betroffen, aber alle schreien wie die Weltmeister als ginge es um die Verteidigung des christlichen Abendlandes. Absurd.

Jochen 06.06.2013, 23:37 Uhr
Gravatar: Jochen

Endlich. Endlich eine Gegendarstellung. Traurig, dass sie nicht in den großen Medien steht.

Thomas Dudzak 07.06.2013, 01:26 Uhr
Gravatar: Thomas Dudzak

Ja, Jochen, es ist traurig. Ich hätte erwartet, dass wenigstens ein Portal es schafft, sich die vermeintliche Quelle mal selbst anzuschauen... :(

Madadh 07.06.2013, 12:29 Uhr
Gravatar: Madadh

"...von „Rektorin“ [gesprochen wird],selbst dann, wenn mal wieder ein Rektor männlich ist." - Ein Rektor ist immer männlich, andernfalls wäre es eine Rektorin...

Aber abgesehen davon ist es doch ein überaus negatives Zeugnis, welches sich die Presse damit selbst ausstellt, wenn der/die Herr Professorin unbehelligt durch die Portale wandelt und sich niemand die Mühe macht, diesen Sachverhalt aufzuklären.
Davon abgesehen nervt diese Gender-Diskusssion auch irgendwie...

Ergebnisse 1 bis 6 von insgesamt 6

Hinterlassen Sie einen Kommentar