12. September 2011 Redaktion

Kampagne der CDU: Bornaer Verein „Bon Courage“ im Kreuzfeuer

Es hat schon eine gewisse Ähnlichkeit zu regelmäßig wiederkehrenden Konjunkturkurven, wie die CDU ihre Themen besetzt. Wenn, wie so oft, keine inhaltlich wertvollen Sätze gesagt werden können, arbeitet man sich an einer Liste ab, die die Schlagworte „SED“, „DDR“, „Extremismus“ oder „Gewalt“ beinhaltet. Aktuell trifft es einen Bornaer Verein, dessen junge Mitglieder engagiert gegen Neonazis und Fremdenfeindlichkeit eintreten.

Nun ist es so, dass die Medienlandschaft – eigentlich qua Presse- und beruflichem Ehrenkodex zur Objektivität verpflichtet – sehr einseitig über diese Themen berichtet. Kaum ist eine Presseerklärung an die MedienvertreterInnen verschickt, scheinen die ChristdemokratInnen einen geheimen Zugang zum Mailfach der Zeitungen abzurufen und haben prompt Gegenerklärungen parat, die zum gleichen Zeitpunkt veröffentlicht werden, wie die eigenen Mitteilungen. Oftmals fallen „linke“ Pressemitteilungen sogar unter den Tisch. Mit Ausflüchten, wie: „War leider nicht im Postfach“, „Technische Probleme machen sie unleserlich“ oder „Passt gerade nicht ins Konzept“ wird durch die Medien gelenkt und im Hinterstübchen eine eigene Politik gemacht. Diese richtet sich verdächtig oft an unserer politischen Konkurrenz aus. Im aktuellen Fall, dem des Vereins „Bon Courage“, lautet die aktuelle Lesart: „Fassungslosigkeit über Aufklärungsarbeit des Vereins“.

Die Bornaer CDU-Frau, Cora Hofmann, zeigte sich in einer Erklärung derart geschockt über eine Aufklärungskampagne der Vereinsmitglieder. Geneigte LeserInnen fragten sich zu Recht: „Wenn dies die engagierte Politikerin schon aus der Fassung bringt, wie will sie dann auf Dauer mit kühlem Kopf Stadt- bzw. Kreispolitik machen?“

Beantworten können wir diese Frage auch nicht, aber wir können dem angeklagten Verein ein Sprachrohr sein und zeigen daher an dieser Stelle auf, welche Erklärungen die jungen Leute und deren UnterstützerInnen für die kritisierte Vereinsarbeit haben.

In einem Artikel der Leipziger Volkszeitung vom 2. September lässt Frau Hofmann vernehmen:


„Auf der Internetplattform von Bon Courage werde deutlich, dass der Verein grundsätzlich erst einmal davon ausgehe, dass es bei Demonstrationen zu Übergriffen von Polizei und Staat komme. Bon Courage vermittle seiner Klientel, sie solle sich erst einmal gegen den Staat stellen. Anders seien Aufforderungen wie die, bei Festnahmen laut den Namen zu schreien, kaum zu verstehen. Dabei sei klar, dass die Polizei nicht willkürlich handle und Gründe für eine Festnahme habe, so die CDU-Stadträtin (…)“

Fakt ist:

Auf der Internetseite ist eine Einladung zu einem Workshoptag zu finden. Die thematische Breite reicht von Aufklärung über „Nazistrukturen“, „Sexismus“, „Verhalten auf Demonstrationen“ bis hin zu aktivierenden Angeboten, wie „Kanu fahren“, „Jonglieren“ oder „Breakdance“. Dass Frau Hofmann Tipps wie: „Bei Festnahmen laut den Namen schreien“ als Aufruf zur Gewalt versteht, ist auch bei toleranter Betrachtung nicht nachvollziehbar. Es ist, wenn man so will, allgemeines Merkmal der linken Szene, dass auf das bloße Rufen von Namen keine terroristischen Akte vollzogen werden. Dass die Polizei allerdings „nicht willkürlich“ handele und auf jeden Fall „Gründe für eine Festnahme“ habe, hat sie in den letzten Jahren hinsichtlich ihres taktischen Vorgehens bei Großveranstaltungen wie Demonstrationen nicht deutlich genug heraus stellen können. Auch die Handy-Affäre der sächsischen Polizei in Dresden oder ihr willkürlicher Einsatz gegen einen Pfarrer in Jena – wohl bemerkt Kompetenzbereich der Landespolizei des Freistaats Thüringen – können gewisse Vermutungen nicht zerstreuen. Umso notwendiger sind Aufklärung und Vorbereitung in Form solcher Workshops, wie sie der Verein „Bon Courage“ anbietet.

Diese dienen dazu, auf Demonstrationen vollumfänglich über die eigenen Rechte aufgeklärt zu sein und im Zweifelsfall einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie sind definitiv kein Aufruf zu Gewalt. Es ist nicht erkennbar, wie bspw. das Notieren der Servicenummer für anwaltliche Hilfestellungen oder auch der Hinweis, laut den eigenen Namen zu rufen, negative Auswirkungen auf die Sicherheit der BeamtInnen oder anderer TeilnehmerInnen von Demonstrationen hätte. Im Gegenteil: Die genaue Kenntnis über Abläufe polizeitaktischer Ermittlungs- und Beweissicherungsarbeit kann sogar helfen, in überraschenden Situationen die Arbeit der Polizei nicht zu behindern. Etwa, wenn Übergriffe von Rechts stattfinden und Beamte eingreifen müssen.

Zudem ist es, und hier scheint die CDU ein Barfuß-Problem auf dem steinigen Boden des Grundgesetzes zu haben, die generelle Pflicht eines rechtsstaatlichen, demokratischen Systems, Personen, Gruppen und Vereine zu schützen und zu unterstützen, die sich kritisch mit dem System selbst auseinander setzen. Demokratie kann nur existieren, wenn innerhalb ihres Geltungsbereichs KritikerInnen zu Wort kommen und nicht diffamiert, behindert oder unterdrückt werden – solange die AkteurInnen nicht strafrechtlich relevant handeln. Und genau das ist beim Verein „Bon Courage“ nicht zu verzeichnen.

Genauer: Der Verein und seine Mitglieder sind hinsichtlich ihres gesellschaftlichen Engagements gegen Rechts schon vielfach ausgezeichnet worden.

Auch VertreterInnen des Jugendparlaments der Stadt Borna verteidigen die Inhalte des Vereins:

Aufklärung darüber, wie „man sich bei Demonstrationen zu verhalten hat, gehört zum Bereich einer aufgeklärten Demokratie. Die Rechte aus dem Grundgesetz, wie auch zum Beispiel das Recht auf Versammlungen oder das Aussageverweigerungsrecht sind als Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat von vornherein gedacht. Es geht darum, sich vor ungerechtfertigten Eingriffen der "Staatsgewalt" zu schützen. Diese Konträre Gegenüberstellung von Staat und Bürger ist von den Machern des Grundgesetzes so vorgesehen und ein Zeugnis davon, dass es selbst in Demokratien oft genug zu Willküreingriffen des Staates kommt, eine bittere Erfahrung  aus der Endphase der Weimarer Republik, in der solche Schutzrechte nicht existierten.“

„Bon Courage“ selbst nimmt dazu u.a. wie folgt Stellung:

„(…) In diesen Betrachtungen müssen leider auch mögliche Konfliktsituationen eine Rolle spielen, da diese gerade im Falle großer Demonstrationen niemals vollständig ausgeschlossen werden können. Im Laufe der letzten Jahre wurde dabei deutlich, dass die Polizei in diesen teilweise angespannten Situationen nicht immer fehlerfrei agiert und Demonstrationsteilnehmer immer wieder von Beamten verletzt oder unschuldig in Gewahrsam genommen werden. In derartigen Situationen ist es sehr wichtig, die eigenen Rechte zu kennen – so z.B. das Recht auf einen Anruf, um Verwandte oder Bekannte über das Vorgefallene zu informieren. Auch anerkannte Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International fordern mittlerweile mehr Transparenz und Aufklärung von Straftaten auf Seiten der Polizei (…)“

Mit dieser Klarstellung seitens „Bon Courage“ sollte eigentlich alles gesagt sein. Wie gesagt: „Sollte“. Denn statt die deutlichen Worte des Vereins einfach stehen zu lassen, veröffentlicht die LVZ am 10. September auf Seite 19 zur Sicherheit noch einmal einen Leserbrief, in dem die plakativen Vorwürfe erneut heruntergeleiert werden. Pikant dabei besonders der Vorwurf, der Verein wolle sich nicht mit Andersdenkenden auseinandersetzen, da man diese ja von eigenen Veranstaltungen ausschließe. Dass der Verein jedoch nicht irgendwelche „Andersdenkenden“, sondern lediglich Menschen mit explizit rechtsextremem Hintergrund von Veranstaltungen ausschließt, hätte die Lokalredaktion zum Nachdenken darüber anregen können, wem sie mit dieser Veröffentlichung eigentlich eine Plattform bietet.

Abschließend bleibt an die Adresse der Bornaer CDU zu richten: Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Borna und im Umland, sind nicht dumm. Sie verstehen sehr wohl den Unterschied zwischen Aufrufen zu Straftaten und Gewalt einerseits und dem verantwortungsvollen Umgang mit politischer Aufklärung und grundgesetzlich verbrieften Freiheitsrechten andererseits. Im Gegenzug zur CDU, dass haben mittlerweile viele Gespräche mit den BürgerInnen bewiesen, haben sie sogar die Überzeugung, dass junge Menschen heute viel aufgeklärter seien, als noch vor 20 Jahren – auch im politischen Bereich. Und sie unterstützen die Bestrebungen des Vereins, dies zu festigen und voran zu bringen. Die Bornaer lehnen dabei Gewalt kategorisch ab, wie es auch die Mitglieder des Vereins „Bon Courage“ tun. Was aber christdemokratische Angstschürer, wie die Stadträtin Hofmann, vielleicht nicht wissen: Die Bornaer kennen ihre Jugendlichen genau, da sie ihre Nachbarn, ihre Schüler, Freunde, Kinder oder Sportsfreunde sind. Und sie erkennen die Unbedarftheit der CDU zu diesem Thema.

Kategorien: Grund- und Freiheitsrechte, Mitbestimmung, Landkreis, DIE LINKE.

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