27. June 2012 Dr. Axel Troost, MdB

Fiskalvertrag: Richtungsentscheidung für Europa nicht durch faule Kompromisse abkaufen lassen

Quelle: RKB by Lupo / pixelio.de

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Über das Junktim der SPD und Bündnis90/Die Grünen zum Fiskalvertrag
Von Dr. Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE

Für ihr Prestigeprojekt, den Fiskalvertrag, muss die Bundesregierung das Grundgesetz ändern und ist deswegen auf Stimmen aus den Reihen der Opposition angewiesen. Bis zum 13. Juni liefen dazu Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen, an denen auch DIE LINKE teilnahm.

DIE LINKE lehnt den Fiskalvertrag grundsätzlich ab. Mangels Verhandlungsmasse – die Bundesregierung ist auf unsere Zustimmung nicht angewiesen - können wir das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Koalition und Opposition wenig beeinflussen. Wir sind unseren Wählerinnen und Wählern, aber auch den anderen Parteien, jedoch eine Antwort schuldig, wie wir uns zu den gemeinsamen Vorschlägen von SPD und Bündnis90/Die Grünen verhalten.

Warum wir dem Fiskalvertrag nicht zustimmen können
Der Fiskalvertrag sieht insbesondere vor, dass alle teilnehmenden Staaten eine Schuldenbremse einführen, möglichst mit Verfassungsrang. Dies lehnen wir aus folgenden Gründen ab:

  • Zum ersten sprechen ökonomische Argumente gegen den Fiskalvertrag: Eine aktive Konjunkturpolitik wird künftig ebenso schwer möglich sein, wie eine gestaltende Finanzpolitik, etwa zur Einleitung der sozial-ökologischen Wende.
  • Zum zweiten ist der Fiskalvertrag ein Angriff auf die Demokratie, weil die nationalen Parlamente ihr Haushaltsrecht abtreten müssen, sofern sie gegen die ökonomisch ungerechtfertigten Vorgaben des Fiskalpakts verstoßen.
  • Zum dritten lehnen wir den Fiskalvertrag aus sozialpolitischen Gründen ab: Das Prinzip der Staatenkonkurrenz wird dazu führen, dass Haushaltskonsolidierung nicht etwa über höhere Steuern auf Vermögen oder Unternehmensgewinne erfolgen wird, sondern primär über Ausgabenkürzungen zu Lasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Empfängerinnen und Empfängern staatlicher Leistungen.
  • Der Fiskalvertrag ist eine Gefahr für den europäischen Integrationsprozess. Er wird in vielen Staaten dazu führen, dass die EU nur noch mit Sozialabbau und Entdemokratisierung in Verbindung gebracht wird.

Angesichts dessen halten wir einen Kompromiss mit der Koalition, der diesem Fiskalpakt zustimmt, nicht für vertretbar. Zudem haben die Forderungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einige erhebliche Schwächen.

Wachstumspakt
SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern, ähnlich der Wortwahl des französischen Präsidenten Hollande, den Fiskalpakt um einen Wachstums- und Beschäftigungspakt zu ergänzen. Die in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachten Projektanleihen zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten dürften jedoch lediglich einen Tropfen auf den heißen Stein darstellen. Das gilt ebenfalls für das geforderte Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit und die zusätzlichen zehn Milliarden Euro für die Europäische Investitionsbank.
Der Wachstumspakt ist daher nur ein Feigenblatt, dass der SPD hilft, vordergründig ihr Gesicht zu wahren. Mit ernsthaften Wachstumsimpulsen hat er aber nichts zu tun.

Finanztransaktionssteuer
Tatsächlich ist es uns Oppositionsparteien aufgrund der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit gelungen , die Blockade der widerborstigen FDP gegen die Finanztransaktionssteuer endlich aufzubrechen und entschlossen für eine teileuropäische Einführung einzutreten. Insofern ziehen hier SPD, Bündnis 90/Die Grünen und LINKE mit ihren Forderungen an einem Strang. Sinnig ist es auch, gemeinsam gegen verschiedene Aufweichungsversuche einzutreten.

Trotz allem: Die Finanztransaktionssteuer wurde traditionell als Instrument zur Finanzierung globaler Angelegenheiten gefordert, sprich zur Armutsbekämpfung und für den weltweitem Umwelt- und Klimaschutz. Darin sind sich Attac, die Kampagne "Steuer gegen Armut" und DIE LINKE einig. Von dieser Verwendung ist im Kompromiss mit der der Bundesregierung leider nichts enthalten. Der Bundestag darf sich nicht aus seiner Verantwortung gegenüber dem Rest der Welt stehlen, nur weil die Gelder aus der Steuer nun für die Eurokrise gebraucht werden. Entsprechend sind weitere Einnahmequellen notwendig. Umso befremdlicher ist, dass sich die Forderung von Bündnis 90/ Die Grünen nach einer Vermögensabgabe nicht mehr im gemeinsamen Papier mit der SPD wiederfindet. In Fragen der Vermögensbesteuerung könnte der Bundestag sehr viel mehr in Eigenregie erreichen als bei der Finanztransaktionssteuer, wo es wegen widerspenstiger europäischer Regierungen nur schleppend voran geht.

Schuldentilgungsfonds
SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten sich zwischenzeitlich den Vorschlag eines Schuldentilgungsfonds angeeignet, der vom "Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung" ausgearbeitet wurde. Demnach würden die teilnehmenden Staaten ihre über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgehenden Schulden in einen gemeinsamen Fonds auslagern und dafür zeitweise eine Finanzierung durch Anleihen des Fonds erhalten (im Sinne von Euroanleihen). Im Gegenzug müssten sich die Staaten auf eine Schuldenbremse und einen Tilgungsplan verpflichten, was allerdings bereits mit dem Fiskalvertrag geschehen wird.

Die zeitweise Finanzierung über den gemeinschaftlichen Fonds soll den Staaten Zeit verschaffen, damit sie das Vertrauen der Finanzinvestoren zurück gewinnen können. Ziel einer emanzipatorischen Politik sollte jedoch nicht sein, die Finanzmärkte wieder gnädig zu stimmen, sondern ihr Diktat dauerhaft zu überwinden – etwa durch Euroanleihen oder eine Neuausrichtung der Europäischen Zentralbank.

Darüber hinaus ist der Vorschlag insgesamt nicht besonders Erfolg versprechend: Spanien leidet zwar unter düsteren Zukunftsaussichten, aber nicht unter einem hohen Schuldenstand. Gemäß Schuldentilgungsfonds stünden Spanien nur 88 Milliarden Euro zu, was kaum Druck vom Kessel nehmen würde. Der zweite große Wackelkandidat,  Italien, müsste gemäß Schuldentilgungspakt nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, was schon schwierig genug wäre. Italien müsste sogar zusätzlich jährlich Schulden in Höhe von etwa 50 Milliarden Euro tilgen. Wie das geschehen soll, bleibt ausgeklammert.

Somit ist der Schuldentilgungsfonds eine nette Idee, wenn man die Bundesregierung mit der Vergemeinschaftung von Schulden ärgern will, aber völlig impraktikabel, wenn die Krise überwunden werden soll.

Ausblick
Das Ergebnis der Verhandlungen von Regierung und Oppositionsfraktionen ist daher traurig. Auch wenn die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ein Lichtblick ist: Keiner kann genau sagen, was von unseren Vorstellungen einer Finanztransaktionssteuer nach Abschluss der internationalen Verhandlungen noch übrig sein wird. Und auch wenn diese Verhandlungen gut verlaufen: Eine noch so gut ausgestaltete Finanztransaktionssteuer kann bei weitem nicht soviel Gutes bringen, wie der Fiskalpakt an Schlechtem bringt. Es ist daher eine politische Bankrotterklärung von Bündnis90/Die Grünen und SPD, dass die dem Fiskalpakt zustimmen werden.

Angesichts der Dimension der Eurokrise, die das europäische Projekt grundsätzlich in Frage stellt, ist eine Steuer auf Finanzgeschäfte im Promillebereich kein wirklicher Durchbruch. Auch ein paar Milliarden für einzelne Projekte sind eine unzureichende Antwort auf die gravierenden Probleme der Währungsunion und die falsche Rettungsstrategie der Bundesregierung. Wer einen Kurswechsel in der Krisenpolitik erreichen will, muss auf DIE LINKE setzen.

Kategorien: Europapolitik, Bundespolitik, Grund- und Freiheitsrechte, Mitbestimmung, Finanzen, DIE LINKE.

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