15. August 2012 Redaktion

Falk Opelt und die Migrationspolitik: LeserInnenbriefe ohne Ende

Quelle: Dieter Schuetz / pixelio.de

Quelle: Dieter Schuetz / pixelio.de

Ein Leserbrief in der LVZ erhitzt weiter die Gemüter im Landkreis Leipzig. Es geht um Falk Opelt, der sich zur Lage der MigrantInnen im Landkreis mittels Leserbrief in der LVZ ausgelassen hat. Seine Meinung stieß scheinbar nicht nur unserem Pressesprecher sauer auf, was ja bereits in einem Artikel auf dieser Seite dokumentiert wurde. Vielmehr häufen sich nun bei uns die Meldungen, dass auch andere LeserInnenbriefe in Reaktion auf Opelts Auslassungen nicht durch die Leipziger Volkszeitung veröffentlicht wurden. 

So schrieb uns Tobias Seligman in einer Mail, dass er bereits am 3. August eine eigene Wortmeldung an die LVZ schickte, die er allerdings bis heute nicht in dem Blatt wiederfand. Hier stellt sich schon die Frage, nach einer ausgewogenen Berichterstattung. Seiner Bitte, ob wir vielleicht seinen Brief auf unserer Seite veröffentlichen würden, kommen wir natürlich sehr gern nach.

Aus rechtlichen Gründen müssen wir erklären, dass die Meinung der Partei DIE LINKE. Westsachsen nicht zwingend mit dem Inhalt von LeserInnenbriefen übereinstimmt. In diesem Fall aber, dürfte die Übereinstimmung gar nicht so mickrig ausfallen.

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Tobias Seligman
Reaktion auf den Leserbrief von Falk Opelt, vom 3. August 2012:

 

Empathie und Verständnis

Der Leserbrief vom 3. August ist wenigstens ehrlich. Das können wir ihm zu gute halten. Gleich am Anfang spricht er aus, dass viele Menschen Vorbehalte gegen Migrant_innen haben - und schließt dabei sich hoffentlich selber ein. Denn eine Kategorisierung von Migrant_innen in drei Gruppen als differenziert zu sehen, ist wahrlich schon nah an der Lächerlichkeit. Lieber Herr Opelt die Gründe nach Deutschland zu kommen, sind wohl sehr vielfältiger als Sie das in ihrer Welt sehen wollen - um dies zu wissen müssten Sie allerdings ein mal Nachforschungen anstellen und sich tiefer mit dem Thema beschäftigen. Vielleicht würden Sie dann auch nicht mehr auf die Idee kommen mit falschen Zahlen zu jonglieren. Woher nehmen Sie die Aussage, dass in Thräna 90% leben, die keinen Aufenthalt bekommen?

Es ist fatal solche Zahlen ins Spiel zu bringen, da es dem Generalverdacht entspricht, dem Migrant_innen ausgesetzt sind: sie kommen, um sich hier zu bereichern. Dieser Generalverdacht ist bereits Teil der Ressentiments und befördert sie zugleich. Er festigt die Ablehnung von Migrant_innen, da er das Argument vorbereitet, dass Migrant_innen "Steuergelder verschwenden", "uns auf der Tasche liegen". Bevor mit Fakten, Sachlagen und Realitäten argumentiert werden kann, erliegt die Diskussion, da der Flüchtling plötzlich in der Beweispflicht ist, zu zeigen, dass auch wirklich ein triftiger Grund vorliegt warum er_sie geflohen ist. Der Generalverdacht, den Sie versuchen mit einer willkürlichen Prozentzahl zu untermauern, verfestigt die Fronten und macht es einfach, sich nicht weiter für die Geschichten der Menschen zu interessieren, sondern sie in die Pflicht zu nehmen, Beweise vorzulegen und sich selbst zu erklären.

Doch scheinbar haben Sie sowieso kein Problem mit Falschaussagen und deshalb muss ich annehmen, dass Sie diese bewusst einsetzen, um Ihre Meinung scheinbar objektiv zu untermauern. Doch leider ist es eben nur ein Meinen, was Sie betreiben, kein Argumentieren und vor allem kein Wissen. Die euphemistische Aufzählung von scheinbaren "Leistungen" für die Bewohner_innen der Sammelunterkünfte verschließt die Augen vor der Realität und der tatsächlichen Lebenssituation der Betroffenen. Wie können Sie von räumlich getrennten Wohneinheiten sprechen, wenn die zugeteilten Zimmer nicht einmal Küche und Bad enthalten? Wie können Sie von einer 4-Stunden-Betreuung reden, wenn diese in keinem der Sammelunterkünfte im Landkreis erfüllt ist und selbst vom sächsischen Ausländerbeauftragen als nicht vorhanden kritisiert wird? Wie können Sie von einem Hausmeisterservice sprechen, wenn der Spielplatz in Thräna seit Jahren keinen TÜV mehr besitzt? Wie können Sie sich anmaßen zu schreiben, dass es "ausreichend für ein sauberes und sicheres Leben [sei] im Gegensatz zu dem, wovor sie in ihrer Heimat flüchteten", wenn Sie nie mit einem der Bewohner_innen geredet haben? Nicht einen Fluchtgrund kennen, nicht einen Ort, der zurückgelassen wurde, nicht eine Familie, die getrennt wurde. Sie wissen gar nichts und das versuchen Sie mit Ihrer Arroganz zu übermalen, in der sie sich mit angeblichen Fakten schmücken und versuchen ein Denken zu kaschieren, dass Menschen schon von Geburt an zu Menschen zweiter Klasse erklärt.

Und die Aggressivität in den Sammelunterkünften, die schüren nicht Vereine und Initiativen, die seit Jahren versuchen den Menschen zu helfen und ihnen ein Stück weit das zu ermöglichen, was wir "Leben" nennen. Nein die Aggressivität wird durch die Verhältnisse geschürt, die sie zwingt am Rande der Gesellschaft zu leben und auf eine Zukunft zu blicken, die sie nicht selbst gestalten können.

Ich wünschte Menschen wie Sie, Herr Opelt, wären ein einziges Mal in einer solchen Unterkunft gewesen, hätten ein einziges Mal mit Betroffenen gesprochen. Ihre Hand würde verkrampfen, wenn Sie wieder so etwas schreiben würde, wie sie es geschrieben haben. Denn ein einziges Mal würde sich in Ihnen etwas regen, dass "Verständnis" heißt.

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Als ergänzende Lektüre empfiehlt sich auch der sog. "Heim-TÜV", einer Bestandsaufnahme aller sächsischen Sammelunterkünfte für AsylbewerberInnen. Eine Dokumentation des Sächsischen Ausländerbeauftragten. Zu finden sind alle Informationen dazu: HIER

Der Informationsseite des Ausländerbeauftragten ist übrigens auch folgendes Zitat zu entnehmen:

"Grundsätzlich besteht der Ausländerbeauftragte auf einer Neuorientierung im Umgang mit Asylsuchenden. Asylsuchende sind Mitmenschen und haben ein Recht auf soziale Inklusion in unserer Gesellschaft, so lange sie bei uns leben. Sie sollten die Gelegenheit bekommen, sich als Menschen in unsere Gesellschaft einzubringen, ob als Eltern in der Schule, als Mitglieder in Migrantenbeiräten, in gemeinnützigen Vereinen oder bei anderen Aktivitäten."

Das sollte uns allen, Falk Opelt eingeschlossen, ausreichend zu denken geben.

Kategorien: Antirassismus, Sachsen, Kommunalpolitik, Frieden, Grund- und Freiheitsrechte, Soziales, Landkreis, DIE LINKE.

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