05. September 2010 Harry Eichhorn

Die Wahrheit stirbt zuerst…

Quelle: charly6 / pixelio.de

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Bericht zur Veranstaltung anlässlich des Weltfriedenstages auf dem Schloss Colditz

Eine schlichte Gedenktafel erinnert auf Schloss Colditz daran, dass dort unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers 1933 politische Gegner, vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten, inhaftiert und gefoltert wurden. Nur wenige Jahre danach, am 1. September 1939, begann der 2. Weltkrieg mit verheerenden Folgen für Deutschland, Europa und der ganzen Welt. Anlass genug, gerade an diesem Ort alljährlich dieses Ereignisses zu gedenken. Um daran zu erinnern, dass Kriege immer zuerst im eigenen Land vorbereitet werden und zumeist mit einer großen Lüge beginnen.

Volkmar Wölk erinnerte während der diesjährigen Kranzniederlegung, die am 3. September auf Initiative der Partei DIE LINKE stattfand, dass bereits die Bezeichnung Schutzhaftlager, wie die Nazis Colditz nannten, eine große Heuchelei war, weil dort niemand Schutz genoss, sondern dass die hier gefangenen Menschen ausschließlich aus politischen Gründen ihrer Freiheit und körperlichen Unversehrtheit beraubt wurden. Gedenktage zu historischen Ereignissen dienen jedoch nicht allein der Rückbesinnung. Sie werden erst sinnvoll, wenn sie die Augen für die Probleme unserer Zeit öffnen. So war denn der eigentliche Höhepunkt der Vortrag und die Gesprächsrunde mit Dr. Peter Strutynski, Politologe, Friedensforscher und Friedensaktivist von der Universität Kassel. Sie stand unter dem Motto „Raus aus Afghanistan - was dann?“. In hervorragend strukturierter Art und Weise, mit profunder Sachkenntnis und politischem Engagement widerlegte er die Behauptung, dass die NATO dort einen Krieg gegen Terroristen führt, angeblich zum Schutz der Afghanen vor den Taliban. Vielmehr stehen machtpolitische Interessen, besonders der USA, in Afghanistan auf dem Spiel. Der ehemalige Bundespräsident Köhler hat in einem Rundfunkinterview ein Stück der Wahrheit unvorsichtigerweise ausgeplaudert. Trotz des massiven militärischen Einsatzes des Westens sind bis heute die wesentlichen Kriegsziele der NATO nicht erreicht und ist die Lebenssituation der der Afghanen, geprägt von bitterster Armut, nicht verbessert worden.

Im Gegenteil: Armut und Arbeitslosigkeit haben zugenommen, die kriegerische Gewalt eskaliert. Die Opfer sind im zunehmenden Maße unbeteiligte Zivilisten. Unter den angeblich getöteten Taliban verbergen sich häufig unbeteiligte Zivilisten. Keiner kann das nachprüfen. Durch diese Kriegsführung, die einen Höhepunkt in der Bombardierung eines Tanklastzuges auf Veranlassung eines deutschen Offiziers gefunden hat, wachsen Wut und Verzweiflung bei vielen Afghanen, aber auch der Wille zum Widerstand. Für die meisten Deutschen ist es nicht vorstellbar, dass deutsche Politiker nach den Erfahrungen des 2. Weltkrieges wieder Kriege als Mittel der Politik einsetzen und den Tod deutscher Soldaten billigend in Kauf nehmen.

Nicht zuletzt verwies Dr. Peter Strutynski darauf, dass es neben engagierten Hilfsorganisationen auch zahlreiche überflüssige Organisationen und Kriegsgewinnler gibt, die an einem raschen Ende des Krieges überhaupt nicht interessiert sind, sondern den Geldsegen des Westens für ihren persönlichen Wohlstand einsetzen. Zudem scheuen sich Politiker und Militärs den Misserfolg zuzugeben, weil damit die Zukunft der NATO insgesamt gefährdet ist. Auf die zentrale Frage, was würde nach einem Abzug der Truppen aus Afghanistan geschehen, antwortete er verhalten optimistisch. Er verwies darauf, dass eine der wesentlichen Ursachen der Gewalt dann beseitigt wäre, allerdings aber auch eine umfassende wirtschaftliche Hilfe des Westens ohne militärische Einmischung erforderlich wäre, um das Land mit seinen zahlreichen Problemen auf längere Sicht befrieden zu können.

Die offene Diskussion und die umfassenden Informationen bestärkten die Teilnehmer der Veranstaltung, dass auch im Fall Afghanistan in den offiziellen Medien die Wahrheit über diesen Krieg zuerst stirbt.

Kategorien: Antifaschismus, Landkreis, Frieden

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