08. August 2010 Dr. Helga Lemme

„Das Leben im Slum ist unvorstellbar“

Quelle: Dr. Helga Lemme

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Quelle: Dr. Helga Lemme

Quelle: Dr. Helga Lemme

Kreisvorstandsmitglied Dr. Helga Lemme berichtet über ihre Tätigkeit für die Organisation „Ärzte für die Dritte Welt“, für die sie sich derzeit für sechs Wochen in einer Klinik in Nairobi engagiert. 

Für sechs Wochen arbeite ich für die Organisation "Ärzte für die Dritte Welt" - nicht zu verwechseln mit den "Ärzten ohne Grenzen" - in einer Klinik im Mathare Slum von Nairobi. Mathare Valley ist mit rund 500 Einwohnern nach Kibera der zweitgrößte Slum in Nairobi. Insgesamt leben etwa 60 Prozent der Bevölkerung Nairobis in Slums.

Die Klinik, in der ich tätig bin, existiert seit 10 Jahren. Hier arbeiten stets sechs freiwillige deutsche Experten verschiedenster Fachrichtungen in einem Ärztezentrum, davon fünf in der Regel für sechs Wochen und ein Langzeitarzt. Bereits 2006/2007 war ich hier ein Jahr als Langzeitärztin tätig.

Die Patienten erhalten gegen eine geringe Aufnahmegebühr eine freie medizinische Behandlung, Untersuchungen und Medikamente. Wir können uns aber nur auf eine absolute Grundversorgung beschränken. Das ist in vielen Fällen sehr hart, weil die Menschen für weiterführende Behandlungen in den staatlichen oder privaten Krankenhäusern bezahlen müssen. Das Geld ist sehr oft nicht vorhanden oder stürzt die ganze Familie in unabsehbare Schulden.

Als Kinderärztin behandle ich fast ausschließlich Kinder bis zum fünften Lebensjahr. Die Haupterkrankungen sind schwere Infekte, Bronchitis, Lungenentzündungen, schwere Durchfälle häufig mit Wasserverlust, Malaria, schwere Unterernährung - häufig mit AIDS oder Tuberkulose oder beidem verbunden. Leider werden sehr viel Kinder und Patienten erst in einem sehr schlechten Zustand zu uns gebracht. Die Tuberkulose und AIDS-Behandlung ist in Kenia kostenfrei und in den größeren Zentren auch ganz gut organisiert. Aber zunächst muss es zuverlässig diagnostiziert werden. Jeden Tag haben wir eine Vielzahl neuer Fälle und leider auch immer wieder Kinder mit angeborener Infektion, obwohl alle Schwangeren getestet werden sollen.

Unsere Klinik hat auch ein angeschlossenes Zentrum für AIDS und Tuberkulosebehandlung. In diesem Zentrum arbeiten ausschließlich kenianische Mitarbeiter. Das ist vorteilhaft für die Patienten, da eine konstante Betreuung ohne Sprachbarrieren möglich ist. Außerdem haben wir ein angeschlossenes „Feedingzentrum“ – sprich: ein Ernährungszentrum - für Kinder und Erwachsene, in dem wir auch schwere Unterernährungen behandeln können, vorausgesetzt die Patienten nehmen überhaupt noch Nahrung auf. Dieses Zentrum ist auch für uns Ärzte eine große psychische Entlastung, weil wir sonst vielen Kindern gar nicht helfen könnten.

Das Leben im Slum ist sicher für die meisten von uns nicht vorstellbar. Blechhütten, ungeheure Armut und Schmutz, keine Müllabfuhr, wenig Toiletten, kein Strom. Und trotzdem pulsiert das Leben in unvorstellbarem Maße. Ich fühle mich immer wieder hierher hingezogen und bin zugleich unendlich froh, auf der anderen Seite unserer Erde leben zu dürfen.

Vielleicht eröffnet nun die neue Verfassung auch diesen Menschen einen Weg in eine bessere Zukunft. Ich wünsche es ihnen von Herzen und weiß zugleich, dass das ganz viele leider nicht mehr erleben werden.

Dr. Helga Lemme
Böhlen/ Thümmlitzwalde

Kategorien: Soziales, Gliederungen

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