08. February 2012 Redaktion

Braunkohlekraftwerk Profen: Eine Energiepolitische Geisterfahrt

Quelle: Thomas Buttler / pixelio.de

Quelle: Thomas Buttler / pixelio.de

Profen in Sachsen-Anhalt ist derzeit ein eher beschauliches Örtchen. Als Ortsteil der Gemeinde Elsteraue im Burgenlandkreis mit rund 1.200 Einwohnern. Zu den Sehenswürdigkeiten gehören die 1485 erbaute Kirche mit ihrem weit sichtbaren, spätromanischen Turm, die alte Brikettfabrik, die 1911 errichtet wurde und die Entwicklung der bis dahin ländlich geprägten Gemeinde zur Bergarbeitergemeinde markierte und, wenn es nach der MIBRAG geht, ab 2015 auch eine Großbaustelle für ein neues Braunkohlekraftwerk, welches 2019/2020 ans Netz gehen soll. 

Für 1,3 Milliarden Euro soll so im mitteldeutschen Dreiländereck zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein neues Kraftwerk entstehen, das mit einer zu erwartenden Laufzeit von rund 40 Jahren voraussichtlich bis ins Jahr 2060 Braunkohle verstromen würde. Dass aus der Braunkohleverstromung hohe Steuereinnahmen zu erwarten sind, mag begründen, warum der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, über den Coup frohlockt. Gegenüber der BILD gab er so Mitte Oktober 2012 zu Protokoll: „Sachsen-Anhalt hat nur als Industrieland eine Zukunft. Bis 2019 müssen wir weitgehend frei von Transferleistungen sein.“ Dass Haseloff allerdings weiterhin erklärt, für ihn sei das neue Kraftwerk auch wichtiger Teil der Energiewende, mutet angesichts der harten Fakten der Braunkohleverstromung mehr als merkwürdig an. 

Natürlich war und ist die Braunkohle ein wichtiger Faktor zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland. Jedoch ist insbesondere im Hinblick auf den notwendigen starken Eingriff in die Natur zur Gewinnung dieser fossilen Ressource, vor dem Hintergrund der starken Schadstoffbelastung und der Endlichkeit der Braunkohle ist ein perspektivischer Ausstieg zu forcieren. Gerade die Braunkohle weist auf Grund ihres gegenüber anderen fossilen Brennstoffen geringen erdgeschichtlichen Alters und des dadurch noch nicht abgeschlossenen Inkohlungsprozesses einen eher geringen Heizwert auf. Im Vergleich zu anderen Rohstoffen muss zur Verstromung der gleichen Menge an Energie dementsprechend eine ungleich größere Menge an Braunkohle eingesetzt werden – mit allen entsprechenden negativen Folgen. 

Einen scheinbaren Beitrag zur Energiewende, wie ihn Haseloff unterstellt, kann die Braunkohle offensichtlich nur in Verbindung mit der Kohlendioxidabscheidung und –verpressung leisten. Einen wirklichen Beitrag kann diese Technologie nicht leisten, denn neben der Verschlechterung des Wirkungsgrades von Braunkohlekraftwerken – bedingt durch die technische Abscheidung, Transport und Einlagerung, ist auch die Lagerstättenfrage nicht geklärt. Als Lagerstätten kämen so lediglich Gesteinsformationen in Frage, die als mögliche Druckluftspeicher für Windkraft benötigt würden. Nutzungskonflikten zwischen Braunkohle und Erneuerbaren Energien wie Windkraft und Geothermie müsste faktisch der Kohlendioxidverpressung der Vorrang  gegeben, damit die Braunkohle den Zielen der Energiewende nicht entgegensteht. Diese Speicherkapazitäten sind jedoch begrenzt. 

Auch die Ewigkeitskosten dieser Technologie sind ein Problem: Die Einlagerung ist irreversibel, die Kosten für den Unterhalt stillgelegter Lagerstätten würden dem Staat und damit dem Steuerzahler auferlegt. Und das mit einer Perspektive mehrerer tausend Jahre. Die Risiken sind darüber hinaus unerforscht. Die bekannte Endlagerproblematik der Kernkraft würde sich so bei der Braunkohle wiederholen, denn die Frage ist ungeklärt, wie man auf eine so lange Perspektive eingelagertes Kohlendioxid sicher verschlossen halten kann oder, wenn dies nicht möglich ist, im Katastrophenfall reagieren soll. Denn wenn durch Risse oder Klüfte in den Gesteinsschichten Kohlendioxid in nicht unerheblichem Maße entweicht, besteht akute Lebensgefahr für Mensch und Tier. Und selbst wenn das Gas nicht aus der Erde austreten sollte, so besteht doch akute Gefahr für die Grundwasservorkommen. CCS ist demnach keine sichere Technologie für den Klimaschutz, sondern offensichtlich lediglich ein geeignetes Instrument von Braunkohlefreundlicher Politik und Industrie zum Greenwashing der Kohleverstromung. Die beste Möglichkeit zum Umgang mit Kohlendioxid ist nicht die unterirdische Verpressung, sondern die konsequente Vermeidung. 

Zu diesem Ergebnis kommt auch das Umweltbundesamt, welches 2010 eine Studie vorstellte, welche die Umsetzbarkeit einer Umstellung der Energieversorgung Deutschlands aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien bis 2050 prüfte. Ergebnis dieser Studie war die Bestätigung, dass das Ziel erreichbar sei. „Je früher, je entschlossener wir handeln, desto mehr Zeit bleibt uns für die notwendigen technischen und gesellschaftlichen Anpassungen“, konstatierte der Präsident des Umweltbundesamts Jochen Flasbarth in einer begleitenden Pressemitteilung. Diesem Ansinnen steht das Festhalten an der Braunkohle jedoch massiv entgegen. Während in der Öffentlichkeit über hohe Spannungsschwankungen bei Strom aus Erneuerbaren Energien diskutiert wird – verbunden mit der Forderung nach Beibehalt und Neubau von fossilen Kraftwerken zur „Grundlastsicherung“- wird in der Debatte vollkommen ausgeblendet, dass diese fossilen Kraftwerke Teil des Problems sind. Denn ein Atom- oder Braunkohlekraftwerk ist als „Schattenkraftwerk“ zur Grundlastsicherung bei Spannungseinbrüchen der Erneuerbaren Energien schlichtweg ungeeignet. Diese Kraftwerke schaltet man nicht einfach an oder aus, wenn Strom benötigt wird, denn die Vorlaufzeiten sind dafür viel zu lang. Im Ergebnis speisen unflexible fossile Kraftwerke dauerhaft Strom ins Netz ein, für den es in Zeiten einer breiten Einspeisung aus Erneuerbaren keine Abnehmer gibt. Flexibel genug für eine solche Sicherung wären lediglich Gaskraftwerke, die allerdings auch mit erneuerbarem Biogas betrieben werden könnten. Wieso also ein Kraftwerk bauen, dessen Laufzeit über das Jahr 2050 hinausgeht und dessen Errichtung offensichtlich den mit der Energiewende verbundenen Zielen entgegensteht? 

Wenn in Sachsen-Anhalt, direkt an der Grenze, nun ein neues Braunkohlekraftwerk – entgegen jeder offensichtlicher Vernunft - errichtet werden soll, dann tangiert das zwangsläufig auch sächsische Interessen. Offensichtlich ist, dass zwischen die Argumentation Haseloffs und die medial verbreitete Position der sächsischen Staatsregierung kein Blatt Papier passt. Beide wollen aus wirtschaftlichen Interessen den einfachen Weg des geringsten Widerstandes gehen und an der Braunkohle festhalten. Dem Ziel von DIE LINKE. Sachsen, den Ausstieg aus der Braunkohle bis 2040 bei einem gleichzeitigen Transformationsprozess der betroffenen Wirtschaftsräume zu erreichen, steht dieses Agieren natürlich entgegen. Und auch wenn die MIBRAG bisher beteuert, die für das Kraftwerk benötigte Braunkohle in einem neuen Tagebau bei Lützen zu fördern, so kann dies nicht als in Stein gemeißelt gelten. Ausweichorte in unmittelbarer Nähe gäbe es bei dem aufflammenden Widerstand in Lützen genug. Vereinigtes Schleenhain und Kieritzsch liegen in der Luftlinie sogar näher am neuen Kraftwerk, was auch die Bemühungen der MIBRAG zum erweiterten Aufschluss des Tagebaus im Landkreis Leipzig über die für die Restlaufzeit des Kraftwerkes Lippendorf benötigte Größe hinaus erklären könnte. Denn der Braunkohleabbau und die -verstromung kennt traditionell keine Landesgrenze. Gemeinsamer Widerstand gegen diese Energiepolitische Geisterfahrt ist im mitteldeutschen Dreiländereck also geboten.

Kategorien: Ökologie, Sachsen, Landkreis

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