Aus fremdem Leder ist gut Riemen schneiden
Die Konservativen. Die Mitte. Die Leistungsträger der Gesellschaft. Sie kneifen also lieber ein Auge zu – und sei es notwendig, auch ein Hühnerauge obendrein – wenn es denn einen von ihnen treffen soll. So stellen sich ganze CSU- und CDU-Kreisverbände und allen voran die Bundeskanzlerin vor ihren „Gutti“. Allesamt wollen sie etwas werden oder zumindest das mundwinkelgeprägte Gesicht nicht verlieren, so schweigen sie oder hofieren, ganz nach der individuellen Talentlage. Eine Krähe verhält sich zur anderen, wie sie es eben gemäß Volksmund gelernt hat.
Ist es denn wirklich schlimm, dass der Herr Verteidigungsminister mal ein paar Schummeleien begangen und seine Doktorarbeit dermaßen verhunzt hat? Hat die Politik nicht eigentlich Besseres zu tun, als sich mit diesem eher persönlichen Dilemma zu beschäftigen?
Ja und Nein. Ja, es ist schlimm und nein, denn auch dies gehört zum politischen Geschäft, wenn es einen Repräsentanten der Bundesrepublik betrifft. Erst recht, wenn dieser Repräsentant rein dienstrechtlich Herr über zwei Bundeswehr-Universitäten mit gemeinem, materiellen Promotionsrecht und als Bundesminister eine Person mit besonderer gesellschaftlicher Verantwortung ist.
Wenn eine Kassiererin zwei Pfandbons unterschlägt, wird ihr gekündigt, ohne, dass ihre Tat eine weit reichende Auswirkung auf das betriebswirtschaftliche Gesamtergebnis der Unternehmensgruppe hat. Aber ein Herr zu Guttenberg soll seinen Posten behalten, obwohl er eine offensichtlich urheberechtswidrige, wissenschaftliche Arbeit abgeliefert hat? Das will sich mir nicht gänzlich erschließen.
Die Politik hat hier auch die Aufgabe aufzuklären. Hier beschäftigen sich nicht ganze Apparate und Banden von Politikern, es sind einzelne, die sich explizit damit auseinandersetzen. Andere wiederum geben lediglich eine Pressemeldung und den Großteil der wahrgenommenen Äußerungen publizieren sowieso die Medien. Es geht nicht darum, dem Herrn Minister einen Streich zu spielen oder ihn aus rein parteipolitischen Gründen zu diskreditieren. Eine derart entstellte Dissertation abzugeben, bedeutet, ein zitierfähiges Werk zu veröffentlichen, also in dem Mindestmaß zugänglich zu machen, dass es beispielsweise in Nationalbibliotheken abrufbar ist. Nachfolgende Generationen von Promovierenden oder Urheber anderer Arbeiten, nützen gegebenenfalls Passagen der Arbeit und zitieren demnach falsch. Ihnen fällt dies dann unter Umständen auf die Beine. Die Promotion ist futsch. Genau das ist ein Punkt, der die große Verantwortung einer Doktorarbeit ausmacht. Einer Arbeit, die im Regelfall ein Novum auf ihrem Gebiet darstellt.
Gerade die Konservativen, mit ihrem Leistungsgedanken und ihrem Hang zu Exzellenzinitiativen und –universitäten sollten sich hier am eitlen Schopfe packen und hinterfragen, ob jemand, der eine solche Leistung abgibt – so sie denn der eigenen Feder entsprang und kein Fall für die Ghostwriterbuster ist – einen Posten, wie den des Bundesverteidigungsministers ausführen sollte.
Eine gute Frisur hilft nicht über alle Hürden. Und auch die angeblich so hoch gelobte Qualität seiner ministeriellen Arbeit ist nicht erst durch diese Posse angeschlagen. Dass Guttenberg dritte Wahl ist, zeigten bereits die Aufklärungsprobleme des Luftangriffs auf zwei Tanklaster in Kundus (die Nachwehen des Franz Josef Jung); die Affäre um die Öffnung von Feldpostbriefen der Soldatinnen und Soldaten im Kriegseinsatz; der Schuss aus einer Waffe eines deutschen Soldaten, bei dem ein anderer ums Leben kam oder reihenweise Skandale um das Segelschulschiff „Gorch Fock“. Ich bin nun keiner, der einem Minister die direkte Schuld an diesen Dingen vorwerfen würde. Wie auch? Wer in den Regierungssessel furzt, öffnet persönliche Soldatenbriefe nicht selbst und auch die Bomben über die Tanklaster hat er nicht selbst abgeworfen. Aber Verantwortung übernimmt man nicht, indem man allein befehlshabende Offiziere entlässt oder „handwerkliche Fehler“ einräumt. Nach diesem 5-Frontenkrieg gehört der Rücktritt befohlen.
Eine Doktorarbeit ist eben doch kein Einkaufszettel, bei dem ich ohne markenrechtliche Bedenken die Produktnamen auch mal falsch schreiben darf. Sie sind auch nicht zitierfähig, obgleich sie bei einfacher Nachfrage leicht zu bekommen wären – was eine von vielen Anforderungen an eine gute Quelle darstellt. Meine Einkaufszettel werden demnach auch langfristig nicht in den Bestand der Deutschen Nationalbibliothek aufgenommen.
___
René Jalaß ist Mitglied im Kreisvorstand und Referent für Hochschulpolitik im StuRa der HTWK Leipzig.
Kategorien: Bundespolitik, Bildung
Kommentare
Keine Kommentare zu diesem Beitrag
Hinterlassen Sie einen Kommentar